Abseits von Medikamenten: Seelische Mittel gegen Scheidenkrampf und Impotenz

Abseits von Medikamenten: Seelische Mittel gegen Scheidenkrampf und Impotenz

Neben der Lustlosigkeit der Frau spielen im Sexualleben zwei Beeinträchtigungen eine große Rolle. Über beide wird nur zögernd und nur bei wirklichem Vertrauen zum Arzt/zur Ärztin gesprochen: Der Scheidenkrampf und die sogenannte „Impotenz“.

Neben medikamentösen Möglichkeiten, etwa zur Behandlung der erektilen Dysfunktion, bewähren sich verschiedene psychotherapeutischen Maßnahmen in der Therapie von sexuellen Funktionsstörungen. Will ein Betroffener etwa keine Medikamente nehmen oder auch dann, wenn es keine medikamentöse Hilfe gibt oder Arzneimittel nicht vertragen werden, können psychotherapeutische Methoden zum Mittel der Wahl werden. Dies gilt auch, wenn eine Kombination von medikamentöser und Psychotherapie sinnvoll erscheint.

Sigmund Freud, der ja ein sehr materialistischer und praxisnaher Wissenschaftler war, mahnte seine Schüler schon, man werde die Psychoanalyse rasch vorantreiben müssen, weil in absehbarer Zeit nicht mehr die Psychotherapie sondern die Pharmakologie die seelischen Störungen lösen werde.

Die psychotherapeutische Behandlung sexueller Funktionsstörungen kostet zudem Zeit - ein Medikament dagegen ist schnell geschluckt. Dabei müssen psychotherapeutische Verfahren keineswegs immer langwierig sein. Ein Beispiel für eine relativ kurzfristige psychotherapeutische Methode stellen etwa Hypnose- und autogene Psychotherapie dar.

Beispiel: Vaginismus (Scheidenkrampf)

Der Vaginismus, zu Deutsch Scheidenkrampf, ist ein schmerzhaftes Verkrampfen der Beckenbodenmuskulatur, verbunden mit einem Krampf des äußeren Drittels der Scheidenmuskulatur. Der Vaginismus tritt meist bei einem Koitusversuch auf und behindert das Sexualleben sehr. Wenn bei einer Frau die Scheidenmuskeln verkrampfen, wird das Eindringen des Penis unmöglich. Häufig kann nicht einmal ein Finger in die Scheide eingeführt werden. Ins Reich der Mythen und Märchen dagegen ist die Vorstellung zu verweisen, die krampfende Scheide könnte den Penis festhalten oder „gefangen halten“ - diese Vorstellung war in der männlichen Medizin allerdings lange Zeit ein Thema, es wurde sogar ein lateinischer Fachbegriff dafür geschaffen: Penis captivus - also etwa, der gefangene Penis.

Man unterscheidet einen „körperlich“ bedingten Vaginismus, der zum Beispiel nach Operationen auftreten kann, und Vaginismus aus seelischer Ursache. Oft liegt dem seelisch bedingten Vaginismus eine sehr strenge (meist sehr religiöse) Erziehung zugrunde. So deutet es etwa auf eine seelische Ursache hin, wenn ein junges Mädchen keinen Tampon in die Scheide einführen kann, weil die Muskeln sofort verkrampfen und ein Einführen verunmöglichen.

Medikamentös kann der Vaginismus mit Hilfe von Wirkstoffen aus dem Bakterium Clostridium botulinum (Botulintoxin) behandelt werden.

Ein Fall von Vaginismus

Als Therapiebeispiel ein Fall von Vaginismus, der mit Hypnosetherapie in kurzer Zeit gelöst werden konnte. Eine etwa 30jährige Patientin kommt nach langem Zögern mit ihren Beschwerden zur Therapie. In der Vorgeschichte eine strenge Mutter, die immer darauf achtet, dass ihre Tochter „rein“ bleibt. Die Patientin kommt rasch in den hypnotischen Zustand und reagiert gut auf Teste, die die Hypnosetiefe prüfen. Nun wird ihr suggeriert, dass sie selbst mit einem Finger in die Scheide eindringt. Sie beginnt sofort zu weinen, ruft: „Pfui, pfui, schmutzig, pfui, der vordere Popo!“ Und weint wie ein Kind: „Tinkt, tinkt.“ Nach dem Aufwecken erzählt sie, wie viel Wert ihrer Mutter auf peinlichste Sauberkeit legte und immer kontrollierte, ob sie wohl nicht mit den Fingern zum „vorderen Popo“ greife. In der nächsten Sitzung wurde das Geschehene nochmals besprochen.

In der zweiten Hypnose kann sie den Finger in ihrer Vorstellung vorsichtig einführen. Bis zur nächsten Sitzung bekommt sie die Verordnung, tatsächlich vorsichtig mit dem Finger einzudringen, was auch gelingt. Fazit: nach der vierten Hypnose hat sie einen schmerzfreien und befriedigenden Verkehr mit ihrem Mann. Natürlich gelingt es nicht immer so rasch dieses Symptom zu beseitigen, doch sind die Chancen groß, dass es bei einer Kurztherapie bleibt.

Neben der klassischen Hypnose, dem Autogenen Training usw. kann man psychotherapeutische Methoden auch mit anderen Verfahren kombiniert, z.B. mit dem ja sehr verwandten Biofeedback, erfolgreich einsetzen. (Autogenes Biofeedback )

Erektile Dysfunktion (die sogenannte „Impotenz“)

Ein weiteres, wichtiges Behandlungsgebiet für Hypnose und autogene Psychotherapie ist die mangelnde „Manneskraft“. Man spricht heute von „erektiler Dysfunktion“. Aus verschiedenen Gründen kann nicht genug Blut in den Penis strömen, wodurch eine Erektion nur unzulänglich oder gar nicht zustande kommt. Betroffen ist, nach neueren Untersuchungen, etwa jeder zweite Mann über 40 Jahren - zumindest gelegentlich.

Da bei vielen Fällen körperliche Veränderungen eine wesentliche Rolle spielen oder überhaupt die einzige Ursache für die erektile Dysfunktion sind, sollte vor jeder psychotherapeutischen Behandlung unbedingt abgeklärt werden, ob die mangelnde Durchblutung des Penis nicht (auch) eine organische Ursache hat. Vor allem bei starken Rauchern, bei Alkoholikern, bei Drogenmissbrauch, bei Zuckerkranken und Hochdruckpatienten verbirgt sich hinter der gestörten Erektion meist, zu mindestens vorwiegend, ein körperliches Problem.

Es gibt heute sehr effektive Medikamente, die die Durchblutung fördern und eine normale Erektion ermöglichen. Aber auch diese modernen Präparate wirken nicht immer, sie haben manchmal Nebenwirkungen und können in bestimmten Fällen überhaupt nicht angewendet werden. Wenn also der Mann mit den Präparaten Probleme hat oder auch keine Medikamente nehmen will, kommt die Behandlung mit Hypnotherapie und autogener Psychotherapie jedenfalls infrage.

Eine beeindruckende Literaturstelle für die Behandlung der erektilen Dysfunktion stammt aus einem Psychotherapie Kongress in Konstanz 1992: „Hypnose, 175 Jahre nach Mesmer“ Der bekannte amerikanische Hypnosearzt Harold B. Crasilnek beschrieb 2900 Patienten mit seelisch bedingter Impotenz, von denen 88 Prozent erfolgreich behandelt werden konnten.
Das Durchschnittsalter der Studienteilnehmer betrug 40 Jahre. Das heißt nebenbei auch, dass die erektile Dysfunktion durchaus schon vor dem 40. Lebensjahr auftreten kann.

Die „Selbsthypnose“ mittels autogenem Training

Bewährt hat sich auch die autogene Psychotherapie gegen die nachlassende „Manneskraft“. Oft genügt schon die Beruhigung und Ichstärkung durch das relativ einfache Erlernen der Grundstufe des Autogenen Trainings, der eine „Mittel-„ und eine analytische Oberstufe folgen.

Die Grundstufe besteht aus sechs Übungen, die mit einer Schwere- und danach Wärmevorstellung der Arme beginnen. Anschließend wird die Beruhigung des Herzens, ein vom Körper optimal gesteuerter Puls, dann eine - wieder den Hirnzentralen überlassene - Optimierung der Atmung, eine angenehme Wärme im Bauch und schließlich ein „freier Kopf“ - zumeist mit der Übung einer „kühlen“ Stirn - angestrebt. Wer sich diesen Übungen hingeben kann, kann anschließend mit einer so genannten „formelhaften Vorsatzbildung“ noch zusätzlich das Vertrauen in sich selbst steigern.

Im Rahmen der Analytischen Oberstufe besteht für den Patienten dann die Möglichkeit, in einer Art (geführten) Selbstanalyse hinter die Ursache seines Problems zu kommen. Dann können unter Umständen sehr komplizierte Zusammenhänge aufgedeckt und damit auch hartnäckige Fälle von Impotenz behoben werden. Bei einem Großteil der Fälle handelt es sich um das, was man am besten wohl unter dem Titel „Die Angst vor dem Vater“ zusammenfasst.

Ein schönes Beispiel „psychischer“ Impotenz hat übrigens schon Johann Wolfgang von Goethe beschrieben. Er bekennt freimütig, dass er „wider Willen“ seiner Seelenfreundin treu blieb, obwohl neben ihm ein hübsches Wirtsfräulein schließlich einfach in den Schlaf verfiel.

Literatur

Bitzer, J.: Die sexuelle Dysfunktion der Frau. Bremen, 2008 Wallnöfer, H.: Seele ohne Angst, Stuttgart, 1993, S.139f. Die erste Auflage wurde von der österr. Nationalbibliothek digitalisiert, die Stelle kann dort demnächst via Internet auf Seite 143f nachgelesen werden. Pacik, P.T.: Botox treatment for vaginismus. Plast Reconstr Surg. 2009 Dec;124(6):455e-6e. Wallnöfer, H.: Seele ohne Angst, Stuttgart, 1993, S.: 206. Die erste Auflage wurde von der österr. Nationalbibliothek digitalisiert, die Stelle kann dort demnächst via Internet auf Seite 216 nachgelesen werden. Luthe, W., Schultz, J.H.: Autogenic Therapy, Vol. II. S. 145 Fuchs, K.., Hoch, Z., Paldi, E., Abramovici, H., Bandes, J. M., Timor-Tritsch, I., & Kleinhaus, M. Hypno-Desensitization Therapy of Vaginismus: Part I. “In Vitro” Method Part II. “In Vivo” Method. The International Journal of Clinical and Expreimental Hypnosis. 1973, 21, No. 3)…144-156 Bendaña EE, Belarmino JM, Dinh JH, Cook CL, Murray BP, Feustel PJ, De EJ. (Albany Medical College, Albany, NY, USA.): Efficacy of transvaginal biofeedback and electrical stimulation in women with urinary urgency and frequency and associated pelvic floor muscle spasm. Greene, E.&A.: Biofeedback, eine neue Möglichkeit zu heilen. Freiburg i. Br. 1978 Crasilnek, Harold, B.: The use of Hypnotherapy in the treatment of Psychogenic Impotency. In: Bongartz, W.: Hypnosis: 175 years after Mesmer. Universitätsverlag Konstanz, 1992 Crasilnek, Harold B.: Clinical Hypnosis, Grune and Stratton, New York, 1985 Wallnöfer, H.: Seele ohne Angst. Stuttgart, 1993, S. 206. Die erste Auflage wurde von der österr. Nationalbibliothek digitalisiert, die Stelle kann dort demnächst via Internet auf Seite 154f nachgelesen werden. Schatzmann, M.: Die Angst vor dem Vater. Langzeitwirkungen einer Erziehungsmethode. Eine Analyse am Fall Schreber. Reinbeck bei Hamburg, 1974