AIDS2010 – weltgrößter Aids-Kongress tagt in Wien
Von 18. bis 23. Juli 2010 versammelten sich 25.000 ExpertInnen und Betroffene zum Welt-Aids-Kongress in Wien. Auftakt war die Tagung mit dem traditionsreichen Life-Ball. Im Vorfeld von AIDS2010 sprach SexMedPedia mit der Präsidentin der Österreichischen Aidsgesellschaft, Oberärztin Dr. Brigitte Schmied.

Welches sind die wichtigsten Themen bei AIDS2010?
Schmied: Das Motto des Weltkongresses lautet „Rights here - right now. Damit wollen wir auf die Wichtigkeit der Menschenrechte für HIV/Aids-PatientInnen aufmerksam machen. Menschen mit HIV/Aids werden immer noch stigmatisiert und diskriminiert. Und eine wirksame Prävention und Therapie ist nur dann möglich, wenn die Menschenrechte auch tatsächlich für alle Menschen gelten – also auch für jene, die von HIV/Aids betroffen sind. Der Kongress fokussiert auf dieses Thema und wird Möglichkeiten diskutieren, wie die Situation der Betroffenen in dieser Hinsicht verbessert werden kann.
Ein weiteres wichtiges Thema der Tagung ist der dramatische Anstieg der HIV- Prävalenz in Osteuropa und Zentralasien. Besonders in Osteuropa ist die Situation extrem besorgniserregend. 57 Prozent Menschen stecken sich dort über Nadel- und Spritzentausch an, sind also DrogengebraucherInnen. Besonders betroffen sind die Frauen: 50 Prozent der Infektionen erfolgen über heterosexuellen Geschlechtsverkehr zwischen Frauen und Männern, die Drogengebraucher sind oder waren. Zudem ist die Informationslage in diesen Ländern furchtbar schlecht. 40 Prozent der jungen Menschen in Osteuropa wissen überhaupt nicht, dass HIV existiert. Und der Zugang zur wirksamen antiretroviralen Therapie ist nur eingeschränkt möglich. Wir stehen hier vor einer Situation mit multifaktoriellen Ursachen, für die raschest eine Lösungsmöglichkeit gefunden werden muss.

AIDS2010 ist auch für Laien zugänglich – was lohnt sich, zu besuchen?
Schmied: Auch heuer ist das „Global Village“ wieder Teil der Konferenz. Dieses „globale Dorf“ ist für jede und jeden unentgeltlich zugänglich. In diesem Bereich werden ExpertInnen über verschiedenste Aspekte von HIV/Aids informieren. Es präsentieren sich Organisationen aus der ganzen Welt. Das erlaubt einen Einblick, wie die Situation mit HIV/Aids in anderen Teilen der Welt ist und wird von den BesucherInnen sehr gerne angenommen.

Welchen Stellenwert hat HIV/Aids weltweit?
Schmied: Aids ist nach wie vor die häufigste Todesursache für Menschen bis zum Alter von 59 (15-59) Jahren. Dies gilt besonders für Frauen im gebärfähigen Alter, die sind besonders oft von HIV/Aids betroffen. Es gibt aber auch Erfolge zu berichten: In einzelnen Teilen Afrikas wurde mit Hilfe von Präventionsprogrammen und einem verbesserten Zugang zur wirksamen antiretroviralen Medikation eine deutliche Verbesserung der Situation erzielt. Zwischen 2007 und 2008 ist der Anteil jener Menschen, die Zugang zur antiretroviralen Therapie haben, um 36 Prozent gestiegen, in den vergangenen fünf Jahren betrug der Anstieg 10 Prozent.
Derzeit ist die Situation allerdings wieder schwieriger geworden: Die Weltwirtschaftskrise führt auch in diesem Bereich zu Kürzungen der finanziellen Mittel. Und das hat nicht nur Auswirkungen auf einzelne Betroffene, sondern auch auf die Gesamtbevölkerung in einem stark betroffenen Land: Denn eine wirksame antiretrovirale Therapie senkt die Infektiosität des Virus und damit auch das Risiko, das HI-Virus weiter zu geben. Von medizinischer Seite haben wir heute alle Mittel, um die Erkrankung in den Griff zu bekommen. Leider fehlt noch immer all zu oft das Geld, um diese Mittel an die Frau und den Mann zu bringen.

Wann kommt der Impfstoff gegen HIV – oder: Warum kommt er noch immer nicht?
Schmied: Das Aids-Virus kann mit einem Schloss verglichen werden, das ständig seine Form ändert. Einen Schlüssel für ein solches Schloss zu finden, ist praktisch unmöglich. Das Virus ist ein Verwandlungskünstler – deshalb war es bis jetzt nicht möglich, einen Impfstoff dagegen zu entwickeln. Ich glaube aber daran, dass eines Tages ein solcher Impfstoff gefunden werden wird. Und es wird ja auch emsig geforscht, man kommt in kleinen Schritten voran und findet immer wieder Ansatzpunkte für Lösungen.

Wer sollte sich auf HIV testen lassen?
Schmied: Jeder, der ein Risikoverhalten zeigt. Und Risikoverhalten heißt: Ungeschützter Geschlechtsverkehr! Besonders vorsichtig sollten sich Menschen verhalten, bei denen bereits eine andere Geschlechtskrankheit vorliegt, wie etwa Tripper oder Syphilis.

Zeitgleich mit dem Kongress AIDS2010 findet eine Art „Gegenveranstaltung“, die den Titel „Aids zwischen Wissen und Dogma“ trägt und von Menschen organisiert wird, die nicht an die Existenz von HIV glauben – was ist Ihre Ansicht dazu?
Schmied: Ich betreue seit zwei Jahrzehnten Menschen mit HIV/AIDS. Ich kommentiere derartige Ansichten daher nicht.
