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Gutartige Prostatavergrößerung - benigne Prostatahyperplasie

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Noch vor rund 15 bis 20 Jahren konnte einem Patienten mit Symptomen im unteren Harntrakt (z. B. häufiger Harndrang, auch in der Nacht, Schmerzen beim Wasserlassen, verzögerte Harnentleerung, tröpfelnde Harnentleerung, Restharn) bei vergrößerter Prostata lediglich eine wait-and-see Strategie sowie eine chirurgische Intervention (Operation) angeboten werden. Heute stehen neben wirksamen Medikamenten auch sogenannte minimal invasive Methoden (das sind Eingriffe, die mittels Endoskop durchgeführt werden. Dazu sind nur sehr kleine Hautschnitte notwendig) zur Verfügung. Ein tieferes Verständnis der Entstehung und des natürlichen Verlaufes ermöglichen heute darüber hinaus eine individualisierte Therapie. Der nachfolgende Artikel stellt den gegenwärtigen Stand des Wissens hinsichtlich Entstehung, Häufigkeit und Verteilung, Spontanverlauf, Diagnostik und Therapie vor.

TERMINOLOGIE

Im Bemühen um eine spezifischere Terminologie der früheren Bezeichnungen „Prostatismus“, „Prostata-Patient“ oder „BPH-Patient“ sollten heute folgende Begriffe verwendet werden:

BPH: benigne Prostatahyperplasie; beschreibt nur histologische Veränderungen in der Prostata

BPE: benigne Prostatavergrößerung (benign prostatic enlargement) beschreibt eine klinisch vergrößerte Prostata

LUTS: untere Harntraktssymptomatik (lower urinary tract symptoms); beschreibt die klinische Symptomatik

BPO: benigne Prosataobstruktion, beschreibt die Obstruktion des Harnflusses (benign prostatic obstruction) verursacht durch eine benigne vergrößerte Prostata

Pathogenese - Krankheitsentstehung

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Die Entstehung einer gutartigen Prostatavergrößerung ist bis heute nicht vollständig aufgeklärt. Klar ist allerdings, dass die männlichen Geschlechtshormone Testosteron und Dihydrotestosteron (DHT) an der Pathogenese beteiligt sind. Dihydrotestosteron ist das aktive Stoffwechselprodukt des Androgens Testosteron. Testosteron wird intrazellulär (also innerhalb einer Zelle) von einem bestimmten Enzym katalysiert. In diesem Fall handelt es sich um das Enzym 5α Reduktase Typ II, auch das Enzym 5α Reduktase Typ I ist daran beteiligt.

Die Bedeutung der Androgene wird durch Beobachtungen unterstrichen, dass Männer, die vor der Pubertät kastriert wurden (Eunuchen) ebenso wie jene mit kongenitalem 5 α Reduktase Typ II Mangel, keine BPH/BPE entwickeln. Darüber hinaus wird Östrogenen, Wachstumsfaktoren, Epithel-Stroma-Interaktionen und genetischen Faktoren eine Rolle zugeschrieben.

Das Gewebe der Prostata besteht aus drei Schichten: dem Epithel, dem Stroma und dem Endothel. Epithel-Stroma-Interaktionen sind also Interaktionen der ersten beiden Gewebeschichten. Im Falle der BPH/BPE bedeutet dies, dass bestimmte Wachstumsfaktoren, die sowohl im Epithel als auch im Stroma produziert werden, gegenseitig das Wachstum der jeweils anderen Gewebeschicht beeinflussen, sodass die Gewebestärke insgesamt zunimmt.

Die durch die vergrößerte Prostata hervorgerufene untere Harntraktsymptomatik setzt sich aus einer dynamischen und einer statischen Komponente zusammen (Abb. 1). Die dynamische Komponente wird durch den Tonus der glatten Muskulatur im Bereich von Trigonum, Blasenhals und Prostatakapsel bestimmt, welcher vor allem über α 1-Rezeptoren kontrolliert wird (Abb. 1). Die statische Komponente wird durch das konstant wachsende Adenom bestimmt, welches nach der Pubertät jährlich um durchschnittlich 0.2 bis 0,5ml zunimmt (Abb. 1). Als „Adenom“ wird die gutartige Vergrößerung der Prostata bezeichnet. Das Vorhandensein dieser beiden Komponenten erklärt auch die relativ schwache Korrelation von Prostatagröße und unterer Harntraktsymptomatik. Denn jede dieser Komponenten beeinflusst die Symptomatik gleichermaßen. So kann etwa der Tonus der glatten Muskulatur die Harntraktsymptomatik ebenso verschlechtern, wie die Vergrößerung der Prostata an sich.

Epidemiologie und Spontanverlauf

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Histologische Veränderungen im Sinne einer BPH sind erstmals um das 30. Lebensjahr nachweisbar, im 50. ist jeder zweite und in der achten bis neunten Lebensdekade nahezu jeder Mann betroffen (Abb. 2). Etwa die Hälfte der Männer mit BPH entwickeln eine klinisch vergrößerte Prostata (BPE) und davon wiederum mindestens die Hälfte Miktionsbeschwerden (LUTS) (Abb. 2).

Miktionsbeschwerden sind Beschwerden, die beim Harnlassen auftreten, also etwa unwillkürlicher Harnabgang, tröpfelnder Harn, häufiger Harndrang.

In der Gruppe der 60 bis 70 jährigen geben 20 bis 50 Prozent aller Männer LUTS an, und die Prostatektomie – also die chirurgische Entfernung der Prostata – ist nach wie vor eine der häufigsten Operationen beim Mann über 65, etwa jeder 5. Mann benötigt im Laufe seines Lebens diesen Eingriff. Diese Erkrankung kann deshalb durchaus als „Volkskrankheit“ bezeichnet werden.

Der natürliche Verlauf von LUTS bei BPH/BPE wurde in den letzten Jahren in einer Reihe von Studien untersucht. Daten aus der MTOPS-Studie zeigen, dass über einen Beobachtungszeitraum von fünf Jahren unter Placebo nur etwa 20 Prozent in die klinische Progression kommen. Das bedeutet, es bleibt bei einer gutartigen Prostatavergrößerung, das Gewebe wird aber nicht bösartig, es entwickelt sich kein Prostatakrebs. Bei etwa einem Drittel der Betroffenen kommt es auch über Jahre zu einem Rückgang (einer Remission) der Beschwerden. Diese Daten sprechen für ein kontrolliertes Beobachten („watchful waiting“) für Männer mit geringen Beschwerden. Das Risiko für eine Harnverhaltung (HV) beträgt nur rund ein bis zwei Prozent pro Jahr, jenes für eine Operation liegt zwischen drei und sieben Prozent pro Jahr.

Die wichtigsten Risikofaktoren für eine akute Harnverhaltung/Prostataoperation sind das Alter, die Symptome und das Prostatavolumen. Das Risiko für eine Prostataoperation innerhalb der nächsten Dekade steigt von 3,5 Prozent für einen 50 jährigen auf 17,2 Prozent für einen 70 jährigen an. Der klinisch wichtigste Risikofaktor für eine akute HV/Prostataoperation ist das Prostatavolumen: Über einen Zeitraum von vier Jahren erleiden nur rund acht Prozent der Patienten mit einem Prostatavolumen von 14 bis 41 ml eine Harnverhaltung bzw. müssen operiert werden. Liegt das Prostatavolumen zwischen 42 und 57 ml tritt eine Harnverhaltung bzw. die Notwendigkeit einer Operation bei rund zwölf Prozent der Betroffenen auf. Ein Prostatavolumen über 58 ml steigert das Risiko für eine Harnverhaltung bzw. die Notwendigkeit einer Operation auf 21 Prozent.

Leitsymptome

Patienten geben in der Regel irritative und obstruktive Symptome an, diese Beschwerden werden heute als untere Harntraktsymptomatik (LUTS) bezeichnet. Zu den irritativen Symptomen (gestörte Speicherfunktion der Harnblase) zählen imperativer Harndrang, häufiges Harnlassen (Pollakisurie) und nächtliches Harnlassen (Nykturie). Obstruktive Symptome (gestörte Entleerungsfunktion der Harnblase) sind zögernder Miktionsbeginn, schwacher Harnstrahl und Restharngefühl. Zur standardisierten Erfassung von Miktionsbeschwerden werden Fragebögen, wie der Internationale Prostata Symptomen Score (IPSS), empfohlen (der Fragebogen kann hier nachgelesen werden: http://www.prostata-aktuell.de/pdfs/ipss.pdf).

Diagnostik

Die Abklärung von Patienten mit BPH umfasst:

1. Erfassung der Symptome (am besten mittels IPSS)
2. klinische Untersuchung (inkl. digito-rektaler Untersuchung – DRU)
3. Restharnmessung und Uroflowmetrie (wünschenswert)
4. Abklärung des oberen Harntraktes (am besten mittels Ultraschall)
5. Serum PSA-Analyse und
6. Harnbefund

Mittels dieser Untersuchungen kann bei 90 bis 95 Prozent der Männer eine exakte Diagnose gestellt werden. Nur in Ausnahmefällen ist eine invasive urodynamische Untersuchung (Druck-Fluss-Studie), eine Zystoskopie oder eine iv-Urographie angezeigt.

Urodynamische Untersuchung

Bei einer invasiven (eingreifenden) urodynamischen Untersuchung oder Druck-Flussstudie wird ein spezieller Katheter (ein flexibler Schlauch) in die Blase eingeführt. Die Blase wird sodann entleert und durch den Katheter mit warmer Infusionslösung gefüllt. Gleichzeitig wird über den Katheter der Druck in der Blase gemessen. Ein weiterer Katheter wird in den After eingeführt. Er misst den Druck, der von außen auf die Blase einwirkt, etwa wenn der Patient hustet oder presst. Auch die Beckenbodenaktivität wird gemessen. Dazu werden drei Klebeelektroden in der Dammregion platziert. Die Untersuchung findet auf einem speziellen Stuhl statt, der über einen Auffangmechanismus besitzt, über den während der Untersuchung festgestellt werden kann, wie viel Urin der Patient während der Blasenfüllung unwillkürlich verliert, und wie viel Urin bei der abschließenden Blasenentleerung abgegeben wird.

Alle Messwerte werden kontinuierlich aufgezeichnet und dokumentiert. Sie ergeben ein Druck-Fluss-Diagramm, das vom Arzt/von der Ärztin ausgewertet werden kann und mit dessen Hilfe festgestellt werden kann, welche Form des Harnverlusts vorliegt und wie stark die Beschwerden sind.

Zystoskopie

Die Zystoskopie ist ebenfalls eine endoskopische Untersuchung der Blase. Dabei wird ein starres oder ein flexibles Zystoskop über die Harnröhre in die Blase geschoben. Die Blase wird über das Zystoskop mit steriler Flüssigkeit gefüllt und kann dann über eine Optik, die am Ende des Zystoskops angebracht ist, untersucht werden. Mittlerweile verfügen Zystoskope zudem über winzigste Kameras, die eine Beobachtung der Untersuchung via Bildschirm ermöglichen.

Iv-Urographie

Die iv-Urographie ist eine Röntgenuntersuchung von Nieren und Harnwegen sowie Harnblase, bei der zuvor intravenös ein Kontrastmittel injiziert wird. Das Kontrastmittel ermöglicht die Darstellung aller harnbildenden Organe und die Feststellung von Obstruktionen.

Medikamentöse BPH-Therapie

Zur medikamentösen Therapie von LUTS bei BPE/BPO werden heute drei Gruppen von Medikamenten eingesetzt:
1. Phytopharmaka
2. α1-Blocker und
3. 5α-Reduktase-Hemmer.

Diese Präparate werden sowohl als Monotherapie (nur eines der genannten Medikamente) als auch als Kombinationstherapie (mehrere der genannten Medikamente) eingesetzt.

Phytopharmaka

Die ältesten, jedoch auch umstrittensten Präparate sind Phytopharmaka. Obwohl eine Reihe von Studien publiziert wurde, entsprechen nur wenige den international geforderten Standards. Derzeit liegen nur für eine Handvoll Phytopräparate (Serenoa repens, ß-Sitosterole, Brennnessel, Kürbissamen, Sabal/Urtica Kombination) randomisierte Studien vor, die den international geforderten Standards entsprechen.

Phytopharmaka können zu einer Verringerung von Beschwerden führen, eine Verbesserung von Restharn, des Miktionsdrucks oder der maximalen Harnflussrate wird jedoch nur selten beobachtet. Derzeit wird die klinische Effizienz einer Reihe von Phytopharmaka intensiv untersucht, sodass in zwei bis drei Jahren die Frage nach der Wertigkeit besser beurteilt werden kann. Von keiner BPH-Leitlinie (Leitlinien zur Behandlung der BPH) wird derzeit der Einsatz von Phytopräparaten bei BPH/BPE empfohlen.

Alpha-1-Rezeptorblocker

Alpha-1-Rezeptorblocker sind Medikamente, die auf die Aktivität des sympathischen Nervensystems wirken. Sie ermöglichen eine Lockerung der Spannung in den Muskelzellen der Prostata und des inneren Blasenverschlusses, was die Blasenentleerung erleichtert.

Vier Alpha-1-Rezeptorblocker (Alfuzosin, Terazosin, Tamsulosin, und Doxazosin) werden heute weltweit eingesetzt. Für alle Präparate liegen prospektive, placebo-kontrollierte Studien vor, die deren Wirksamkeit nachweisen. Es konnte eine 15 bis 25prozentige Verbesserung der maximalen Harnflussrate (1,5 bis 3,0ml/sec), eine 30 bis 40prozentige Reduktion der Symptome und eine etwa 50prozentige Verringerung des Restharns nachgewiesen werden.

Das Prostatavolumen wird nicht beeinflusst. Die häufigsten Nebenwirkungen betreffen das Herzkreislaufsystem (Vasodilatation) und damit Blutdrucksenkung. Diese Nebenwirkungen scheinen unter Tamsulosin und Alfuzosin-SR seltener aufzutreten. Unter Tamsulosin wird eine retrograde Ejakulation bzw. eine Abnahme des Ejakulatvolumens von etwa 5 Prozent der Patienten berichtet. In einer Langzeitstudie über viereinhalb Jahre (MTOPS-Studie) konnte gezeigt werden, dass ein α1-Rezeptorblocker (Doxazosin) zu einer langfristigen Verbesserung von Symptomen führt, jedoch nur einen verzögernden Einfluss auf das Risiko für eine akute HV oder die Notwendigkeit einer Operation hat.

5-Alpha-Reduktase Inhibitoren (5ARIs)

Wie unter Punkt „Krankheitsentstehung“ bereits erwähnt, ist das Enzym 5-Alpha-Reduktase für die Vergrößerung der Prostata verantwortlich. Inhibitoren, also Hemmer dieses Enzyms greifen in den Stoffwechsel der männlichen Geschlechtshormone ein und bewirken damit eine Volumsverkleinerung der Vorsteherdrüse und damit eine Verbesserung der Symptomatik.

Aus dieser Präparategruppe ist ein selektiver Inhibitor der 5-Alpha-Reduktase Typ II (Finasterid) so wie ein Inhibitor von beiden Isoenzymen (Typ I und Typ II; Dutasterid) am Markt. Die Inhibition (Hemmung) beider Enzyme unter Dutasterid führt zu einer stärkeren Senkung der Serum-DHT-Spiegel (etwa 90 bis 95 Prozent) als unter Finasterid (rund 75 Prozent Reduktion). Die Effizienz beider Präparate wurde in prospektiven, randomisierten Studien untersucht. Unter 5ARIs kommt es zu einer etwa 20 bis 30prozentigen Reduktion des Prostatavolumens, zu einer Verbesserung der maximalen Harnflussrate um 1,5 – 2,0 ml/sec und einer Verringerung der Symptome. Im Gegensatz zu Alpha-1-Blockern, deren Wirkeintritt innerhalb von wenigen Tagen zu bemerken ist, wirken 5-Alpha-Reduktase Inhibitoren verzögert erst nach drei bis sechs Monaten. Der Serum-PSA-Wert wird bei beiden Präparaten um etwa 50 Prozent reduziert. Beide Präparate werden gut vertragen, lediglich hinsichtlich des Sexuallebens werden Nebenwirkungen bei etwa 5 Prozent der Patienten beobachtet. Beide Präparate wirken am besten bei größeren Prostatae (mehr als 30 bis 40ml).

Kombinationstherapie

Da Alpha-Blocker und 5ARI an unterschiedlichen Punkten der Pathogenese angreifen, bietet sich eine Kombinationstherapie aus beiden Präparaten an. Dieser Ansatz wurde in vier großen Studien untersucht. Dabei zeigte sich in den zwei Studien mit einem Beobachtungszeitraum mehr als zwölf 12 Monaten (MTOPS, CombAT ) ein eindeutiger Vorteil der Kombinationstherapie für alle wesentlichen Zielparameter. Diesem Vorteil stehen höhere Kosten sowie eine erhöhte Nebenwirkungsrate gegenüber.

In absehbarer Zeit wird in Österreich ein fixes Kombinationspräparat (Dutasterid plus Tamsulosin) auf den Markt kommen. Die CombAT –Studie konnte darüber hinaus nachweisen, dass bei Patienten mit einer relativ großen Prostata (Durchschnittsvolumen: 55 ml) ein Alpha-Blocker (Tamsulosin) dem Dutasterid deutlich unterlegen ist.

Eine Kombination aus Alpha-Blocker und einem Anticholinergikum eignet sich vor allem für Patienten mit ausgeprägten irritativen Miktionsbeschwerden und geringer infravesikaler Obstruktion an. Langzeitstudien fehlen, der Restharn muss regelmäßig kontrolliert werden.

Eine – auch aus sozioökonomischer Sicht - wichtige Frage ist der mögliche Einfluss einer medikamentösen BPH-Therapie auf den natürlichen Verlauf der Erkrankung. Es stellt sich also die Frage, ob Medikamente das Risiko einer akuten HV oder die Notwendigkeit für eine Prostataoperation lediglich verzögern oder tatsächlich auch senken können. Um diese Frage verlässlich beantworten zu können, müssen mehrjährige, placebokontrollierte Studien vorliegen.

Für Phytopräparate existiert keine einzige Untersuchung, die diesen Anforderungen gerecht wird. Auch für Alpha-1-Blocker existiert nur eine einzige solche Studie, die bereits mehrfach zitierte MTOPS-Studie. In dieser Untersuchung zeigte sich, dass Doxazosin keinen relevanten Einfluss auf den natürlichen Verlauf hatte, das Risiko für eine akute HV/Prostataoperation wurde lediglich um etwa zwei Jahre verzögert. Zu Studienende bestand hinsichtlich dieser beiden Endpunkte kein signifikanter Unterschied zu Placebo. Ob es sich dabei um einen Klasseneffekt handelt, d.h. für alle Alpha-1-Blocker gilt, kann derzeit aus Ermangelung von Studiendaten nicht bewertet werden.

Im Gegensatz dazu konnte für beide 5ARIs (Finasterid und Dutasterid) eindeutig gezeigt werden, dass sich unter einer Langzeitmedikation (ein bis fünf Jahre) das Risiko für eine HV bzw. Prostataoperation im Vergleich zur Placebogruppe um die Hälfte reduziert werden kann (Abb. 3). Diese Präparate sind demnach in der Lage, in den natürlichen Verlauf der Erkrankung einzuschreiten. Dieser Effekt ist für Patienten mit größeren Prostatae (mehr als 30 bis 40ml) ausgeprägter.

Zeigt sich im weiteren Krankheitsverlauf, dass der Patient auf eine medikamentöse Therapie nicht zufriedenstellend anspricht und vor allem Restharn (>100 ml) entwickelt, sollte der Patient zu einer Prostatektomie (gegebenenfalls mittels minimal invasiver Therapie) zugewiesen werden. Ein unkritisches Fortführen der medikamentösen Therapie führt zu einer Schädigung des Blasenmuskels und damit zu einem schlechteren Ergebnis nach Prostatektomie bis hin zur Notwendigkeit einer Dauerharnableitung.

Prostatektomie

Transurethrale Elektroresektion der Prostata (TURF) und offene Prostatektomie gelten nach wie vor als „goldener Standard“ für Patienten mit ausgeprägter Symptomatik/hochgradiger Obstruktion nach frustraner medikamentöser Therapie.

Transurethrale Elektroresektion der Prostata (TURP)

Bei der transurethralen Elektroresektion der Prostata (TURP) wird die Prostata durch ein durch die Harnröhre eingeführtes Instrument „abgehobelt“. Die Gewebespäne werden durch die Harnröhre entfernt. Der Eingriff dauert zwischen 30 und 90 Minuten und kann sowohl in Vollnarkose als auch in Teilnarkose durchgeführt werden. Nach der Operation trägt der Patient für zwei bis drei Tage einen Blasenkatheter. Nach der Entfernung sollte die normale Entleerung der Blase wieder möglich sein.

Offene Prostatektomie

Bei der offenen Prostatektomie wird die Prostata durch einen Bauschnitt entfernt. Dieser Eingriff ist bei großen Prostatavolumina mit über 80 ml angezeigt. Zuerst wird ein Bauchschnitt gesetzt und die Harnblase eröffnet. Sodann wird das Prostatagewebe ausgeschält. Die Prostatakapsel mit der Samenblase bleibt dabei erhalten. Die Operation findet unter Vollnarkose statt.

Darüber hinaus ist bei Patienten mit einer sogenannten absoluten OP-Indikation (rezidivierende Retention unter α1-Blocker, BPE-bedingte Dilatation des oberen Harntraktes/Niereninsuffizienz, Blasensteine, rezidivierende BPH-assoziierte Hämaturie trotz 5ARI) die TURP die Therapie der Wahl. Die TURP beseitigt effizient Obstruktion und Beschwerden, weder medikamentöse noch minimal invasive erreichen dieselbe Effizienz. Einzige Ausnahmen sind die minimal-invasiven Verfahren der Holmium-Laser-Enukleation sowie die KTP-Laservaporisation, die durchaus vergleichbare Ergebnisse mit der TURP aufweisen.

Holmium-Laser-Enukleation

Dabei wird über die Harnröhre ein Laser zur Prostata geführt. Die Prostata wird bei dieser Methode zur Gänze von der Samenkapsel entfernt (enukleiert). Die entfernten Gewebeteile der Prostata werden in der Harnblase zerkleinert und durch das Endoskop, mit dem der Laser an den Ort des Geschehens transportiert wird, abgesaugt.

KTP-Laservaporisation

Bei dieser Methode, die auch als „Greenlight-Laser“ bezeichnet wird, wird – ebenfalls transurethral ein Laser zur Prostata geführt. Mit einem hochenergetischen Kalium-Titanyl-Phospat-Laser (KTP-Laser) wird das Prostatagewebe vaporisiert, das heißt verdampft. Damit kann sehr rasch das Prostatagewebe abgetragen werden.

Wie jede Operation weist auch die TURP eine gewisse Komplikationsrate auf, zu deren häufigsten Bluttransfusion (fünf bis zehn Prozent), Rehospitalisierung von bis zu zehn Prozent der Patienten innerhalb der ersten 30 postoperativen Tage und retrograde Ejakulation (60 bis 80 Prozent) zählen. Acht bis 15 Prozent der Patienten müssen innerhalb von acht bis zehn Jahren neuerlich operiert werden.

Minimal Invasive Behandlungsverfahren

In den vergangenen zehn Jahren wurden eine Reihe sogenannter minimal invasiver Therapieoptionen, wie die transurethrale Mikrowellenthermotherapie, die TUNA-Technik oder die Laserprostatektomie entwickelt. Zweifelsohne bieten diese zum Teil auf ambulanter Basis und ohne Narkose möglichen Therapien wie die transurethrale Mirkowellenthermotherapie oder die Holmiumlaser-Enukleation bzw. KTP-Laservaporisation wegen der guten klinischen Ergebnisse interessante Aspekte.

Transurethrale Mikrowellenthermotherapie

Das Grundprinzip dieser Behandlung ist es, die Prostata mittels Mikrowellenstrahlen zu erwärmen und damit zu einem Gewebeabbau anzuregen. Eine Antenne, die in einem Katheter platziert ist, wird durch die Harnröhre an die Prostata herangeführt. Die Antenne überträgt Mikrowellen, die das Prostatagewebe erwärmen. Mittels eines Katheters, in dem eine Antenne platziert wird, werden Temperaturen über 55 Grad Celsius erreicht. Das ist notwendig, damit die Prostata nachhaltig zum Gewebeabbau angeregt wird. Der Eingriff dauert etwa eine Stunde, kann ohne Narkose durchgeführt werden und ist, nach Aussage von UrologInnen, weitgehend schmerzfrei. Das veränderte Prostatagewebe wird – im Anschluss an den Eingriff – im Laufe der darauf folgenden Wochen langsam abgebaut. Ein positiver Effekt auf die Symptomatik der unteren Harnwege stellt sich allerdings meist innerhalb weniger Tage ein.

Transurethrale Nadelablation (TUNA) der Prostata

Dabei werden feine Nadelantennen über die Harnröhre im Prostatagewebe platziert. Diese Antennen erhitzen das Gewebe in einem genau umschriebenen Gebiet auf bis zu 100 Grad Celsius. Damit wird überschüssiges Gewebe zum Absterben gebracht und kann mittels Endoskopie entfernt werden. Vorab wird, um die Größe der Prostata feststellen und die Anzahl und Tiefe der Nadelstiche ermitteln zu können, eine Ultraschalluntersuchung der Prostata durchgeführt. Auch dieser Eingriff ist weitgehend schmerzfrei und kann ambulant durchgeführt werden. In den ersten Tagen kann sich die Symptomatik etwas verschlechtern, bevor sich dann innerhalb einiger Zeit Erfolge einstellen. Das Verfahren ist besonders für Hochrisikopatienten geeignet, weil es sehr schonend ist.

Welche Therapien für wen?

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Das in Abbildung 4 vorgestellte Diagramm bietet eine Entscheidungshilfe für die Therapie bei BPH. Nach dem Durchlaufen der Basisdiagnostik können Patienten in drei Gruppen unterteilt werden.
1. Patienten mit milder Symptomatik: primär kontrolliertes Beobachten (Watchful waiting), da Progressionsrisiko gering.
2. Patienten mit mäßiger und ausgeprägter Symptomatik: Mit diesen Patienten müssen alle Therapieoptionen (watchful waiting, medikamentös, minimal-invasiv, chirurgisch) diskutiert werden.
3. Patienten mit absoluter OP-Indikation: Hier ist die chirurgische Prostatektomie Therapie der Wahl. Nur in Ausnahmefällen (etwa wenn der Patient in einem sehr schlechten Allgemeinzustand ist) besteht die Indikation zur Dauerharnableitung. Medikamente sind in diesen Fällen kontraindiziert.
4. Patienten mit akuter Harnverhaltung oder massiver Restharnbildung: sofortige Harnableitung (transurethral/suprapubisch)

Risikoadaptiertes BPH-Management

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Die wichtigsten Risikofaktoren für eine BPE/BPO-Progression (Notwendigkeit einer chirurgischen Intervention, Auftreten einer akuten Harnverhaltung) sind das Prostatavolumen (mehr als 40ml) und - als proxy-Parameter für das Prostatavolumen - das Serum-PSA. So haben Männer mit einem Prostatavolumen von größer 60 ml über vier Jahre ein etwa drei- bis vierfach erhöhtes Risiko für eine akute HV oder Prostataoperation als jene mit einem Prostatavolumen kleiner als 40ml.

Ein Flussdiagramm für ein risikoadaptiertes Management ist in Abb. 5 dargestellt. Patienten mit gering ausgeprägten Symptomen (IPSS <7) sollten primär mittels watchful-waiting „behandelt“ werden; die Frequenz der Nachkontrollen orientieren sich nach dem Progressionsrisiko. Symptomatische Patienten mit geringem Progressionsrisiko sollten primär mittels α1-Blockern therapiert werden, weil diese Präparate über Jahre effizient die Symptome kontrollieren. Patienten mit einem höheren Risiko für eine akute HV/Operation sollten zu Beginn mittels Kombinationstherapie und nach etwa sechs bis zwölf Monaten mit einer 5α-Reduktase-Inhibitor-Monotherapie behandelt werden.

Studien zum Weiterlesen

Greco KA, McVary KT. The role of combination medical therapy in benign prostatic hyperplasia. Int J Impot Res. 2008 Dec;20 Suppl 3:S33-43

Roehrborn CG et al. The Effects of Dutasteride, Tamsulosin and Combination Therapy on Lower Urinary Tract Symptoms in Men with benign Prostatic Hyperplasia and Prostatic Enlargement: 2-Years Results from the CombAT Study. J Urol 2008;179:616-621

Autor

Univ.-Doz. Dr. Stephan Madersbacher (Juni 2011)