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Blasenschwäche bei Frauen

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Überrascht es Sie, dass

  • etwa 850.000 Österreicherinnen zu irgendeinem Zeitpunkt in ihrem Leben an Harninkontinenz oder Blasenschwäche leiden?
  • dies nicht notwendigerweise ein „normaler“ Bestandteil des Älterwerdens ist, den eine Frau einfach akzeptieren muss?
  • Frauen aller Altersgruppen aus allen möglichen Gründen betroffen sind?

Wenn Sie dies überrascht, liegt das daran, dass Harninkontinenz zu den Dingen gehört, über die niemand gerne spricht. Es kann unangenehm und peinlich sein.

Eine Blasenschwäche kann Ihre persönliche Freiheit soweit einschränken, dass sie auf Sport, Reisen oder Theaterbesuche verzichten. Viele Menschen reduzieren sogar aus Furcht vor peinlichen Situationen soziale Kontakte und schlittern so in die Isolation.

Möglichkeiten

Sie müssen das nicht hinnehmen. Sie können etwas gegen Harninkontinenz tun – egal wie alt Sie sind und wie hektisch Ihr Leben ist.

Oft kann mit spezieller konsequenter Beckenbodentherapie bereits eine enorme Verbesserung erreicht werden. In manchen Fällen kann mit Medikamenten gut geholfen werden. In anderen Fällen können kleine und risikoarme Eingriffe große Erleichterung verschaffen und Ihnen zu neuer Lebensqualität verhelfen. Die beste Nachricht ist, dass diese Eingriffe einfacher sind als herkömmliche chirurgische Verfahren, bei denen große Operationsschnitte und ein längerer Krankenhausaufenthalt notwendig wären. Heutige operative Eingriffe sind in der Regel auch dauerhafter als frühere, belastendere Operationen.

Formen der Harninkontinenz

Belastungsinkontinenz
(auch als Stressinkontinenz bezeichnet):
unwillkürlicher Abgang von Harn oder Harntröpfchen beim Husten, Niesen, Lachen, Sport oder auch bei plötzlichen Bewegungen

Dranginkontinenz
plötzlicher intensiver Harndrang, gefolgt von einer ungewollten Blasenentleerung. Meist müssen diese Menschen auch sehr häufig die Blase entleeren und /oder in der Nacht oft wegen Harndrang auf die Toilette.

Drangsymptomatik (=Reizblase): Mildere Form der Dranginkontinenz
plötzlicher starker Harndrang, der aber noch kontrolliert werden kann, Harn geht nicht ungewollt verloren. Übrige Symptome: s. Dranginkontinenz

Mischinkontinenz
Symptome von Belastungs- und Dranginkontinenz

Überlaufinkontinenz
tritt auf, wenn die Blase nicht vollständig entleert werden kann.

Belastungsinkontinenz

Der Harnverlust bei Situationen in denen ein Druck (=Belastung) vom Bauchraum auf den Beckenboden ausgeübt wird, wird Belastungsinkontinenz genannt. Der früher übliche Begriff „Stressinkontinenz“ kam ursprünglich aus dem Englischen („stress urinary incontinence“) und wurde 1:1 übernommen. Das englische Wort „stress“ ist als Belastung zu übersetzen – nämlich in diesem Fall – als mechanische Belastung auf den Beckenboden.

Da auch ausgeglichene Menschen unter Stressinkontinenz leiden können, kann der Ausdruck „Stress“ in der deutschen Sprache irreführend und missverständlich sein.
Zum Beispiel
• beim Husten, Niesen oder Lachen
• beim Gehen, Heben oder bei der Sportausübung
• beim Aufstehen oder bei Positionsänderung

Ursache

Der häufigste Grund ist, dass Harnröhre und Blase nicht genügend durch das umgebende Muskel- und Bindegewebe gestützt werden. Mögliche Ursachen sind Verletzungen aufgrund von starker oder immer wiederkehrender Belastung des Beckenbodens durch Schwangerschaft und/oder Entbindung, körperliche Belastungen wie regelmäßiges Heben oder schwere Arbeiten, chronischer Husten oder auch Übergewicht. Unabhängig von diesen Faktoren kann auch eine angeborene Bindegewebsschwäche die Hauptursache für Belastungsinkontinenz sein.

Diagnose

Die Belastungsinkontinenz kann anhand der von Ihnen geschilderten Symptome, einer sorgfältigen gynäkologischen Untersuchung sowie einer Blasen- und Harnröhrendruckmessung diagnostiziert werden.

Therapie

Die Beckenbodentherapie beinhaltet eine Reihe von verschiedenen Therapieformen. Das Prinzip ist bei allen Therapievarianten insofern gleich als zuerst die Kontrolle über die Beckenbodenmuskulatur erlernt werden muss, bevor die Muskulatur (wie andere Muskeln im Fitnesscenter auch) regelmäßig trainiert und in Kraft und Ausdauer gestärkt werden müssen. Frauen, die sich für diesen Weg entscheiden sollten sich dessen bewusst sein, dass ein großes Maß an Eigenengagement die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Therapie ist. Ein konsequentes Weiterführen der Übungen nach der intensiven Lernphase ist unerlässlich.

  • Beckenbodengymnastik: Da viele Frauen ihren Beckenboden überhaupt nicht, oder nicht korrekt anspannen können, sollten Übungen zur Kräftigung nie ausschließlich anhand einer Broschüre erlernt werden. Trotz vielleicht großem Engagement kann hier kaum ein zufriedenstellendes Ergebnis erreicht werden. Eine Gruppentherapie mit einer Physiotherapeutin wäre in jedem Fall empfehlenswert. Ideal ist freilich die individuelle Anleitung durch eine/n in der Beckenbodentherapie spezialisierte/n Physiotherapeutin/en im Rahmen von Einzelsitzungen.
  • Biofeedbacktherapie: Dies ist eine Therapievariante, bei der die tatsächliche Aktivität (oder Ruhe) der „richtigen“ Muskeln über Signale (visuell oder akustisch) rückgemeldet werden. Biofeedback setzt eine meist aufwendige Gerätschaft voraus, die von einer/m Therapeutin/en bedient wird.
  • Elektrostimulation: über eine Vaginalsonde, die von der Patientin selbstständig eingeführt wird, können die Beckenbodenmuskeln bewusst gemacht werden, um so unter Umständen bessere Voraussetzungen für die Beckenbodenarbeit mit einer Physiotherapeutin zu ermöglichen. Bei Dranginkontinenz ermöglicht die Elektrostimulation über eine andere Stromqualität die Blase „umzuerziehen“.
    Es besteht die Möglichkeit sich gegen einen Selbstbehalt das Gerät für drei Monate zu leihen und nach Hause mitzunehmen. Das Stimulationsgerät hat etwa die Größe einer Zigarettenschachtel. Der Großteil der Leihgebühr werden von den meisten Krankenkassen übernommen.

Medikamente

Medikamente und Hormontherapie sind für einige Formen der Harninkontinenz geeignet.

Operative Eingriffe

Moderne, bewährte, kleine chirurgische Eingriffe bieten sichere und wirksame Möglichkeiten, um eine Belastungsinkontinenz zu behandeln.

Das weltweit häufigste und bestuntersuchte chirurgische Verfahren ist das sogenannte TVT (Tensionfree Vaginal Tape – spannungsfreies vaginales Band). Das Band (siehe Abbildung oben) besteht aus Kunststoff (Polypropylen), der vom Körper ausgezeichnet vertragen wird und von dem keinerlei Abstoßungsreaktionen bekannt sind. Bei Belastung wird die Harnröhre durch dieses Band wie mit einer Hängematte unterstützt. In Ruhe liegt das Band locker unter der Harnröhre. Das Band wird durch einen 1-1.5cm langen Schnitt in der Scheide unter der Harnröhre eingelegt und rechts und links hinter dem Schambein durchgeführt.

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Verschiedene Produkte

Es gibt eine Reihe unterschiedlicher Produkte von verschiedenen Herstellern, die dasselbe Prinzip verfolgen.

Die Weiterentwicklung des TVT ist das TVT-O, bei dem das Band nicht hinter dem Schambein durchgezogen wird, sondern seitlich durch das Becken durchgeführt und an den Oberschenkelinnenseiten herausgeleitet wird. Das „O“ bezeichnet die anatomische Region „obturator“ durch die das Band geführt wird. Auch hier gibt eine Reihe von verschiedenen Produkten mit ähnlichen Eigenschaften.

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TVT-Secur

neue Entwicklung - noch unklare Erfolgsrate. Bild: A. Tammaan

Die letzte Entwicklung bei den TVT Produkten ist das TVT-Secur, bei dem ein deutlich kürzeres Band und damit weniger Fremdmaterial eingeführt wird. Bisher ist die Datenlage bezüglich TVT-Secur noch nicht ausreichend um annehmen zu können, dass die Erfolgsrate ähnlich gut ist wie bei TVT oder TVT-O.

Autor

Dr. Ayman Tammaa Univ.-Prof. Dr. Heinrich Salzer (Januar 2015)