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Hormonelle Empfängnisverhütung "pros und cons"

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Im 20. Jahrhundert ist es mit der Entdeckung der hormonellen Kontrazeption gelungen, eine effiziente, reversible und der Gesundheit der Frau nicht abträgliche Möglichkeit zur Verhinderung unerwünschter Schwangerschaften zu entwickeln.

Tatsächlich ist die gesellschaftskritische Bedeutung der hormonellen Kontrazeption weitgehend unterschätzt worden: Die Emanzipation der Frau, die Fähigkeit ihre Sexualität und ihre Fortpflanzung selbst in die Hand nehmen zu können, aber auch die größeren Freiheiten auf beruflicher Ebene verdankt man zu einem großen Teil dieser sicheren Form der Empfängnisverhütung.

Risiko überschätzt?

Leider kommen in den letzten Monaten, wo kleinere Risiken hormoneller Methoden häufig in den Medien berichtet werden, die wahren Benefizien der Pille und der Hormontherapie im Speziellen zu kurz. Zumal es auch immer wieder - nicht nur von Seiten der Patientinnen, zu groben Verwechslungen, sowohl der einzelnen Hormonkomponenten, als auch dem Anwendungsgebiet von Pille und Hormonersatztherapie kommt.

Pille immer besser verträglich

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In den letzten 40 Jahren ist es gelungen, die Hormonkonzentration der Pille immer mehr zu reduzieren und neue Gestagenkomponenten zu entwickeln. Dies soll aber nicht zu einer kritiklosen Verordnung und Anwendung verleiten. Die Pille ist ein hochwirksames pharmakologisches Produkt, das sehr wohl als Medikament und nicht als Lifestyle-Präparat einzustufen ist. Dementsprechend muss auch über Nebenwirkungen und Interaktionen mit der Patientin gesprochen werden.

Bei einer Pillen-Neueinstellung ist in erster Linie eine sehr genaue Anamnese zu erheben, sodass man daraus resultierend, ein „passendes“ Präparate verordnen kann. Grundsätzlich sollte mit einem möglichst niedrigen Gesamtsteroidanteil begonnen werden. Das Postulat „so niedrig wie möglich“ gilt nicht nur für die Hormonersatztherapie, sondern auch für die orale Kontrazeption.

Mehrere Anwendungsformen

Es wurde in den letzten Jahren nicht nur an der Dosisreduzierung gearbeitet, sondern auch die Applikationsmöglichkeiten wurden deutlich erweitert. So kamen in den vergangenen Jahren das hormonhältige Implantat, der Intravaginalring und zuletzt das Kontrazeptionspflaster auf den Markt.

Die neueste Entwicklung stellt eine „Pille“ dar, die als östrogene Komponente das natürliche Östrogen, nebst einem Gelbkörperhormon, beinhaltet.

Die Information über den Applikationsmodus ist ein wichtiges Kriterium für eine zuverlässige Anwendung. Die Aufgabe des verschreibenden Arztes/der Ärztin ist es, den medizinischen „Hintergrund“ gemeinsam mit der Patientin zu prüfen, um eine optimale Verträglichkeit möglichst sicher zu stellen.

Mögliche Probleme

Zu Beginn der Pillenanwendung sind es vor allem Zwischenblutungen und Zyklusinstabilitäten, die die Anwenderinnen verunsichern. Dies ist aber meist ein kurzes, sich rasch wieder von selbst lösendes Problem, meist ohne die Notwendigkeit einer ärztlichen Intervention. Manchmal ist eine Modifizierung der Pillenverordnung notwendig, damit gelingt es, in vielen Fällen das Problem zu lösen. Die Verkürzung der Pillenpause, aber auch das Verwenden höher oder niedrig dosierter Präparate ist ein weiterer Schritt im Management von Zyklusstörungen unter der Pille.

Bei Endometriosepatientinnen, die einen Pillenwunsch artikulieren, wird man auf eine Östrogenarme und gleichzeitig Gestagen-betonte Pille, oder sogar reine Gestagen-Verhütung umsteigen.

Zusatznutzen der "Pille"

Bei Frauen, die unter der Pille eine trockene Scheide oder eine Conjuntivitis sicca entwickeln, wird man eher eine Östrogen-dominierte Pille wählen.

Aber auch gegen Kopfschmerz und Migräne in der Pillenpause, gegen Libidoverlust und Zelluliteentwicklung unter der Pille sowie gegen ein „Zuviel“ an männlichen Hormonen stehen besonders vorteilhafte Präparate zur Verfügung.

Mit der Kenntnis der differenzierten Verordnung hormoneller Kontrazeptiva wird auf dem Gebiet der Empfängnisverhütung auch das möglich, was man in der Hormonersatztherapie bereits seit Jahren erfolgreich praktiziert: Nämlich die individuelle, der entsprechenden Frau angepasste Pillenverschreibung. Man erreicht damit, neben der effektiven Verhütung, auch therapeutische Effekte.

Pille und Thrombose

In den vergangenen Jahren sind einzelne Thrombosefälle, die unter der Pille aufgetreten sind, so intensiv in den Medien diskutiert worden, dass der Eindruck entstanden ist, jede Frau, die die Pille nimmt, wäre Thrombose-gefährdet. Tatsächlich findet man eine derartige Thromboseinzidenz, wie sie zuletzt den Präparaten der dritten Gestagengeneration angelastet wird, bei jedem neuen hormonellen Präparat, das auf den Markt kommt.

Zudem ist zu beachten, dass eine Schwangerschaft ein deutlich höheres Thromboserisiko aufweist als die Einnahme oraler Kontrazeptiva: In 60 von 100.000 Schwangerschaften tritt eine Thrombose auf. Dagegen tritt – je nach Präparat – bei 20 bis 40 Frauen, die die Pille nehmen pro 100.000 Frauen eine Thrombose auf.

Auch die Pillen der zweiten Gestagengeneration wiesen die gleiche Thromboseinzidenz auf, wie zuletzt die Pillen der dritten Generation. Dies unterstreicht, dass es nicht ausschließlich die Pillenbestandteile sind, die für die Thrombose verantwortlich gemacht werden können, sondern die Art und Weise der Pillenverschreibung und die interindividuelle Verträglichkeit. Frauen mit diesen Risikofaktoren, vor allem aber Raucherinnen, sollte die Antibabypille nur im Ausnahmefall verordnet werden.

Die Erhebung der Anamnese ist auch bei der Fragestellung nach dem individuellen Thromboserisiko das Wichtigste: Berichtet die betroffene Frau, dass sie bereits in jungen Jahren an einer Thrombose litt, dass ein Elternteil vor dem 30. Lebensjahr ebenfalls eine Thrombose hatte, so kann dies als sicherer Hinweis dafür gelten, dass die Frau Thrombose-gefährdet ist und auf eine andere Art der Empfängnisverhütung umsteigen muss.
Die aPC-Resistenz-Bestimmung ist eine zusätzliche Information, die dem Arzt nebst der Anamnese eine Entscheidungshilfe sein kann, ob er die Pille verschreiben soll oder nicht. Der aPC-Wert kann mit Hilfe einer Blutuntersuchung bestimmt werden.

Liegt ein pathologische (krankheitswertiger) aPC Resistenz Wert vor, (Ratio kleiner als 2,35) so sollte einerseits eine weitere hämatologische Abklärung erfolgen (Verdacht auf Mutation des Gerinnungsfaktors V Leiden), und anderseits sollte auf eine Pillenverschreibung verzichtet werden.

Es muss noch einmal unterstrichen werden, dass es nicht allein die Pille ist, die Probleme, Nebenwirkungen und Interaktionen verursacht, sondern die unsachgemäße und sorglose Verschreibung sowie Verabreichung! Auch die Kombination der Pille mit den Risikofaktoren Rauchen, Alkohol und Übergewicht stellt eine sehr kritische Konstellation dar, und gefährdet letztendlich die Gesundheit der Anwenderin.

Pille und depressive Verstimmung

Müdigkeit, Reizbarkeit, Depression und Nervosität werden gehäuft bei Pilleneinnehmerinnen beobachtet. Die Beeinflussung von Neurotransmittern durch Steroidhormone, gilt als gesichert. Man kann dem Auftreten dieser unangenehmen Wechselwirkungen durch Verordnung einer anderen Pille in vielen Fällen Abhilfe schaffen.

Pille und Haut

Auch die Haut steht markant unter dem Einfluss der Hormone. Aus diesem Grund wird oft schon sehr jungen Mädchen, die womöglich noch nicht die erste Regelblutung hatten, gegen Pubertätsakne die Pille verordnet. In diesem Fall sollte man allerdings besondere Zurückhaltung in der Verschreibung walten lassen. Einerseits behandelt man mit der Pille sehr effektiv die Akne, allerdings stört man durch die Hormongabe den gerade sich in der Pubertät befindenden Organismus und die weitere Etablierung eines physiologischen zyklischen, ovariell-gesteuerten Systems. Dies kann nachhaltige Folgen habe.

Zu den häufigsten dermatologischen Erkrankungen, die unter der Pilleneinnahme entstehen, gehören die Chloasmen. Man versteht darunter gelblich-braune Flecken, die vor allem im Gesicht auftreten. Sonneneinstrahlung hat bei prädisponierten Frauen, die gleichzeitig die Pille einnehmen einen verstärkenden Einfluss auf den Grad der Hautpigmentierung. Chloasmen manifestieren sich vor allem im Sommer bei starker Sonneneinstrahlung. Aus diesem Grund empfiehlt man diesen Frauen die Pilleneinnahme auf den Abend zu verlegen, da unmittelbar nach Pilleneinnahme die Steroidkonzentration im Serum am höchsten ist.

Pille und Brustkrebs

Obwohl der Zusammenhang zwischen Pille und Brustkrebs nicht als erwiesen angesehen werden kann, muss man doch in Zeiten der Unsicherheit aus Sicherheitsgründen vorsichtig vorgehen. Dies heißt, dass auch die Frage nach familiär bedingtem Brustkrebs, in die Anamnese vor der Pillenverschreibung einfließen muss. Liegt eine diesbezügliche Belastung vor, so sollte man vermeiden, der betroffenen Frau vor dem 18. Lebensjahr, bzw. über eine Dauer von mehr als zehn Jahren die Pille zu verordnen. Mit diesen beiden Maßnahmen verringert man ein mögliches Risiko, das aber noch nicht eindeutig als gegeben angesehen werden kann. Trotzdem ist es sinnvoll, aus Sicherheitsgründen restriktiv vorzugehen. Studien diesbezüglich lassen (noch) keine einheitliche und eindeutige Empfehlung zu.

Pille und Haarausfall

Nicht selten klagen Frauen, dass es während der Pilleneinnahme zu Haarausfall kommt. Obwohl das „Pillenöstrogen“ positiv auf die Haarzyklen wirkt, kann durch ein völliges Absinken des Östradiols lokal ein relativer Hormonmangel entstehen, der durch das „Pillenöstrogen“ nicht ausgeglichen werden kann. Als kausale Therapie wäre das Absetzen der Pille zu überlegen. Es ist außerdem bekannt, dass es während der Pilleneinnahme zu einer Verarmung an Folsäure und an Cobalamin kommen kann. Beide Substanzen sind für den Haarzyklus notwendig.

Pille und Körpergewicht

Für viele Frauen ist die Zunahme des Körpergewichtes, das bei den niedrig dosierten Pillen kaum zu registrieren ist, ein großen Problem. Vereinzelt findet man tatsächlich Pilleneinnehmerinnen, bei denen entweder der Appetit steigt, oder die Verwertung der Nahrung so gesteigert ist, dass es tatsächlich zu einer merklichen Gewichtszunahme kommt. Es empfiehlt sich, diesen Frauen zu raten, während der ersten sechs Wochen der Pilleneinnahme weniger zu essen. Die Verordnung von Präparaten, die der vermehrten Wassereinlagerung entgegenwirken, ist bei machen Anwenderinnen sehr zu empfehlen.

Pille und Libido

Bei einigen Frauen, die die Pille einnehmen kann es zu einer Veränderung der sexuellen Empfindungen kommen. Dies kann teilweise auf die Androgen-unterdrückende Wirkung der Pillen Komponenten zurückgeführt werden. Bei länger andauernden Beschwerden kann ein Produktwechsel überlegt werden. Aber Achtung nicht jeder Libidoverlust hat hormonelle Ursachen.

Autor

Univ.-Prof. Dr. Doris Gruber (Januar 2015)