Erektionsstörungen: Psychosoziale Therapie
Möglicherweise finden ÄrztInnen keine organischen Anhaltspunkte für Ihre Erektionsstörungen, wohl aber belastende psychosoziale Faktoren, die Ihre Sexualität stören. Sie werden Ihnen dann raten, sich psycho- oder sexualtherapeutische Hilfe zu holen.
Für viele Männer ist das aber ganz unvorstellbar. „Ich bin doch nicht psychisch krank“, ist meist das Argument, mit dem diese Hilfe abgelehnt wird. Doch es ist Zeit, von dieser altmodischen Haltung Abschied zu nehmen. (Erste Hilfe kann schon eine Anleitung zu einem Partnergespräch bei Erektionsstörungen leisten.)
Um diese Blockade überwinden zu können hilft es, zu verstehen, was das eigentlich ist, was wir „psychisch“ nennen.

Schaltzentrale Gehirn
Alle in unserem Gehirn abgespeicherten Erfahrungen und Erinnerungen beeinflussen die Zusammensetzung der Botenstoffe im Gehirn. Diese erzeugen in bestimmten Situationen der Gegenwart ein Gefühl des Wohlbehagens, der Sinnlichkeit und der Geborgenheit – oder aber der Anspannung, Angst, des Unbehagens und den Wunsch, diese Situation zu meiden. Je nachdem, welches System durch die Emotionen aktiviert wird (Anspannung oder Entspannung) wirkt sich das förderlich oder behindernd auf unsere Sexualität aus.
Die Psyche versucht, diese alten Gefühle mit allen Mitteln zu vermeiden und so lange wie möglich auf unsere alten Lösungsmuster zurückzugreifen. Dem Körper aber gelingt es so nicht, Probleme zu bewältigen, denn er gehorcht neurobiologischen Gesetzen. Angst bewirkt, dass andere Botenstoffe ausgeschüttet werden als bei Freude und Entspannung. Wenn wir uns also ständig verbiegen, macht der Körper das, was für ihn in der Situation richtig ist. Im Falle von Erektionsstörungen streikt dann der Penis, es kommt zu keiner Erektion.
Wollen Sie diese Störung loswerden, müssen Sie sich damit auseinandersetzen, welches Verhalten für Sie nicht passend ist und Ihre Botenstoffe entgleisen lässt. Um wieder genussvollen Sex erleben zu können, müssen Sie Ihr Gehirn und Ihren Körper wieder in die Lage versetzen, beim Sex zu entspannen. Dabei helfen in den meisten Fällen psycho- und sexualtherapeutische Unterstützung.

Einzelpsychotherapie
Diese Methode eignet sich, wenn seelische Konflikte und Verhaltens- oder Denkmuster aus der Vergangenheit in der Gegenwart zu Erektionsstörungen führen.

Sexual- oder Paartherapie
Empfehlenswert bei allen Sexualstörungen, die chronisch (länger als 6 Monate) sind und dadurch einen negativen Einfluss auf die Beziehung haben. Sehr oft entwickelt die Partnerin/der Partner eine reaktive Sexualstörung. Beide brauchen in diesem Fall Hilfe von außen, um der Negativspirale zu entkommen.
Erektionsstörungen sind immer auch Beziehungsstörungen, entweder weil sie sich belastend auf die Beziehung auswirken oder weil in der Beziehung ungelöste Konflikte die sexuellen Kontakte stören. Es entsteht meist ein sich selbst verstärkender Teufelskreis, aus dem das Paar selten alleine herausfindet.
Paare lernen in der Therapie zu erkennen, dass sie oft aneinander vorbeireden, etwa weil der eine auf der Gefühlsebene, der andere jedoch auf der sachlichen Ebene argumentiert. Beide sind so durch die Reaktion des anderen verwirrt und fühlen sich nicht ernst genommen oder missverstanden.
In der Paartherapie lernen die Partner, sich einander mitzuteilen, zu verstehen und anzunehmen. Dadurch entstehen Gefühle der Nähe und Intimität – die Basis für Sexualität.
Sexuelle Bedürfnisse mitzuteilen bereitet vielen Menschen enorme Schwierigkeiten. Vielen Männern fällt es auch schwer, zu zeigen, was ihnen sexuell guttut bzw. was sie nicht wollen. In der Sexualtherapie steht dies im Mittelpunkt, neben der Paarkommunikation und den Fragen nach der persönlichen, sexuellen und psychischen Prägung. Sie hilft dem Paar, alte Normen und anerzogene Muster zu hinterfragen, Sexualmythen aufzudecken, sich sexuell mit seinen Bedürfnissen so mitzuteilen, dass sie für den Partner einladend und für sich selbst erregend sind. Sexualtherapie hilft auch, sexuelle Defizite auszugleichen, sich und den Partner auf der körperlichen und emotionalen Ebene neu und passend für die Gegenwart kennenzulernen.

Unterstützende Begleitung (Supportive Therapie)
In folgenden Fällen von Erektionsstörungen bietet sich zusätzlich zur medizinischen Therapie auch eine begleitende Sexualtherapie an:
- Bei Erektionsstörungen nach Operationen,
- nach Verletzungen,
- chronischen Erkrankungen
- und in der Phase der Dosisfindung und „passenden“ Therapiefindung.
- Eine unterstützende Begleitung eignet sich auch ausgezeichnet bei Patienten mit Erektionsstörungen, die sich in der Selbstbeobachtungsspirale befinden. Dabei beobachtet sich der Patient nach einigen „Fehlversuchen“ ständig selbst und leidet daher unter enormem Leistungsdruck und Versagensängsten.
Mehr dazu im Artikel „Unterstützende Begleitung (Supportive Therapie)“.
