Hormone im weiblichen Körper

5 minuten Lesezeit . Written by Dr. Elia Bragagna

Hormone im weiblichen Körper

Alle Funktionen unseres Körpers werden von Hormonen bestimmt, das trifft auch auf die Sexualfunktion zu.

  • Hormone beeinflussen schon beim Embryo die Entwicklung der Genitalien und geben in der Pubertät dem Körper des Mädchens weibliche Formen.
  • Sie ermöglichen der Frau, schwanger zu werden, Kinder zu gebären und zu stillen.
  • Sie beeinflussen die Funktionen des Gehirns, der Nerven, der Sinnes-Rezeptoren, der Blutgefäße und Genitalien.
  • Sie beeinflussen unsere sexuellen Fantasien, die Lust und die sexuelle Erregung bis zum Orgasmus.
  • Sexualhormone haben auch einen direkten Einfluss auf die Botenstoffe im Gehirn. Dies erklärt, warum sie unsere Gefühle und unser Wohlbefinden und damit wiederum die Sexualität beeinflussen können.

Da das Regelwerk der Hormone sehr kompliziert ist, möchte ich es möglichst vereinfacht wiedergeben und mich vor allem der Wirkung der Hormone auf die Sexualität widmen.

Die Hormonproduktion unterliegt einer strengen hierarchischen Ordnung mit einer obersten Steuerungszentrale, dem Hypothalamus, der direkten Einfluss auf die untergebene Station, die Hypophyse oder Hirnanhangsdrüse, nimmt. Letztere regt in vielen wichtigen Organen die Hormonproduktion an, so etwa in der Nebennierenrinde und in den Ovarien (Eierstöcke).

Dem Gehirn wird zurückgemeldet, ob die im Körper vorhandene Hormondosis passt. Wenn nicht, kommen erneut die entsprechenden Signale vom Gehirn, um im Körper ein hormonelles Gleichgewicht zu erzeugen.

Auch andere Hormonproduktionsorte wie z. B. die Schilddrüse sind eingebunden, die das hormonelle Gleichgewicht indirekt und zum Teil stark beeinflussen können.

Östrogene

Innerhalb der Östrogene gibt es drei besonders wichtige Hormone: Östradiol, Östron und Östriol.

Östradiol

  • wird in den Eierstöcken aus Androgenen gebildet
  • kleinere Mengen werden im Körperfett und in der Haut aus Androgenen und Östron gebildet
  • ist das wichtigste Östrogen von der Pubertät bis zur Menopause
  • ist das potenteste Östrogen

Östron

  • wird aus Androgenen und aus Östradiol gebildet
  • ist das wichtigste Hormon ab dem Wechsel
  • ist weniger wirksam als Östradiol

Östriol

  • ist das wichtigste Hormon in der Schwangerschaft
  • ist erheblich weniger wirksam als Östradiol

Die Wirkung der Östrogene

Ob eine Sexualfunktion ungehindert ablaufen kann, hängt unter anderem davon ab, ob mit der Unterstützung der Sexualhormone die Voraussetzungen in den Genitalien, im Gehirn, aber auch auf der gesamten Körperebene gegeben sind.

Direkte Wirkung der Östrogene auf die Genitalien

  • Sie bestimmen die Kollagen- und Fettgewebe-Zusammensetzung im Bereich der Vulva.
  • Aufbau der Vaginalschleimhautschichten (Vaginalepithel)
  • Einlagerung von Zucker (Glykogen) in diese Schichten für die Milchsäureproduktion durch die Döderlein-Bakterien
  • Sie sind für die Elastizität der Vaginalwand und der Klitorisstrukturen verantwortlich.
  • Sie erhöhen die Empfindlichkeit für genitale Berührungen.
  • Sie sichern die vermehrte Ausschüttung der Botenstoffe (NO und VIP), um bei Erregung eine stärkere genitale Durchblutung zu ermöglichen.

Direkte und indirekte Wirkung der Östrogene im Gehirn

  • Sie sichern direkt die sexuelle Empfänglichkeit.
  • Sie haben Einfluss auf die Botenstoffe Dopamin und Serotonin, die für die sexuelle Reaktion wichtig sind.
  • Sie verändern indirekt das sexuelle Erleben, indem sie stimmungsaufhellend wirken.

Androgene

Sie werden fälschlicherweise als »männliche« Hormone bezeichnet. Der Testosteronspiegel ist bei der Frau jedoch ungefähr doppelt so hoch wie der des sogenannten »Frauenhormons« Östrogen.

Die Testosteronkonzentration verändert sich während des Monatszyklus. Im Laufe des Lebens nehmen die Androgene bei der Frau ab, allerdings nicht so abrupt wie die Östrogene in der Menopause. Die Eierstöcke sind noch etliche Jahre nach dem Wechsel fähig, Androgene (Testosteron und Androstendion) zu produzieren, aus welchen Östrogene gebildet werden können.

Bei einer 60-jährigen Frau beträgt die Testosteronkonzentration nur noch etwa die Hälfte derjenigen einer 40-jährigen Frau.

Die Wirkung der Androgene

Direkte Wirkung auf die Genitalien
Sowohl in der Vagina als auch an der Vulva wurden Rezeptoren für Androgene gefunden, was auf deren Wichtigkeit für diese Region hindeutet.

Direkte Wirkung im Gehirn
Androgene steigern den sexuellen Appetit, die sexuelle Empfänglichkeit und die sexuellen Fantasien.

Indirekte Wirkung im Gehirn
Androgene steigern Wohlbefinden, Vitalität und Aktivität.

Eine zusätzlich positive Wirkung
Androgene haben unter anderem eine positive Wirkung auf die Fettverteilung des Körpers, auf die Muskelmasse und die Knochen.

Die drei wichtigsten Androgene

Testosteron

  • 50% entstehen durch Umwandlung aus Vorhormonen
  • wird in der Nebenniere und in den Eierstöcken produziert
  • bindet sich im Blut mehr oder weniger stark an »Transportproteine«
  • steht nur zu ca. 1 bis 2% frei zur Verfügung
  • kann nur in ungebundener Form aktiv wirken

Androstendion

  • wird von den Eierstöcken gebildet und dient als Vorhormon bei der Testosteron- und Östrogenproduktion

DHEA und DHEAS

  • sind die häufigsten Androgene
  • DHEA wird in den Nebennieren, den Eierstöcken, im Fettgewebe und im Gehirn produziert
  • in der Nebenniere, der Leber und im Dünndarm wird DHEA in DHEAS umgewandelt
  • DHEAS liegt in 1000-fach höherer Konzentration vor als DHEA
  • es ist allerdings biologisch nicht aktiv, es kann aber in die aktive Form umgewandelt werden
  • es ist ein wichtiger Vorläufer der Androgenund Östrogenproduktion

Gestagene

Gestagene spielen in Bezug auf sexuelle Motivation und Erregung gegensätzliche Rollen. In geringen Mengen scheinen sie im Gehirn (Hypothalamus) die sexuelle Motivation zu steigern, während sie in höheren Konzentrationen eher hemmend wirken. Gleichzeitig wird ihnen eine mögliche Rolle im Belohnungssystem des sexuellen Verhaltens zugesprochen. Indirekt spielen sie eine Rolle, indem sie Einfluss auf das Gefühlsleben und die Stimmung nehmen. Sie scheinen auch eine Auswirkung auf die Entspannung zu haben und angstlösend zu wirken. Ein nicht unwesentlicher Faktor für unsere Gesundheit ist ihre Rolle bei der Nerven-Regeneration.

Prolaktin

Prolaktin ist durch seine Aufgabe bei der Bildung der Muttermilch bekannt. Auf dem Gebiet der Sexualität gilt es zum einen als Orgasmusmarker, da der Prolaktinspiegel nach dem Orgasmus auffallend ansteigt. Dabei scheint es das Gefühl zu vermitteln, »befriedigt«, »satt und belohnt« zu sein. Zum anderen scheint Prolaktin bei der »Abschaltung der Sexualreaktion« nach dem Orgasmus
wichtig zu sein. Ein krankhaft erhöhter Prolaktinspiegel verursacht unregelmäßige
Menstruationsblutungen und Lustlosigkeit.

Oxytocin

Oxytocin verstärkt die Wirkung anderer Sexualhormone während des Orgasmus. Es besteht ein Zusammenhang zwischen der Höhe des Oxytocinspiegels und der Stärke der Muskelzuckungen während des Orgasmus und der Stärke der vaginalen Lubrikation. Aus dem Tierreich weiß man, dass Oxytocin einige wichtige Funktionen für das Sexual- und Sozialverhalten hat, weshalb es auch »Bindungshormon« genannt wird.

Oxytocin spielt eine zentrale Rolle im Antistressund Schutzsystem, in dem Sexualität, Nähe, Intimität und Berührung entscheidende Faktoren sind. Es vermittelt Vertrautheit und soziale Bindung und fördert das menschliche Grundbedürfnis nach Berührung, Beziehung und Kontakt - damit die seelische Gesundheit.

Botenstoffe

Es gibt eine Vielzahl von Botenstoffen, die unsere Sexualität beeinflussen. Diese werden derzeit mit großem Interesse erforscht, weil sich zeigt, dass die einen die sexuelle Reaktion eher fördern, während die anderen sie hemmen. Diese Botenstoffe und ihre Wirkmechanismen genauer zu kennen, könnte helfen, passende Therapien gegen Sexualstörungen zu entwickeln.

An dieser Stelle möchte ich nur eine kleine Auswahl von Botenstoffen aufzählen, deren Wichtigkeit für die weibliche Sexualität schon besser bekannt ist.

Dopamin

Dopamin spielt eine wichtige Rolle bei der Entstehung einer Belohnungserwartung. Bei Stimulation bewirkt es den Wunsch nach Fortdauer der sexuellen Erregung. Dopamin hemmt die Prolaktin- und steigert die Oxytocinausschüttung. Unsere Sexualhormone - Östrogene und Testosteron - können zusätzlich im Gefühlszentrum die Ausschüttung von Dopamin steigern.

Vorsicht!
Sehr viele Medikamente können die Wirkung von Dopamin verhindern und bewirken somit eine künstliche Erhöhung des Prolaktins, was in der Folge zu Sexualstörungen führen kann.

Serotonin

Serotonin wird auch »Glückshormon« genannt, obwohl es sich dabei nicht um ein Hormon handelt. Es spielt eine sehr wichtige Rolle in der Modulierung von Gefühlen und Stimmungen und wird deswegen gerne zur Behandlung von Depressionen eingesetzt. Serotonin kann sowohl hemmend als auch fördernd auf die Sexualreaktion wirken.

Vorsicht!
Manche Antidepressiva vom Serotonin-Typ können Sexualstörungen auslösen.

Adrenalin und Noradrenalin

Diese sind Botenstoffe der »Anspannungsnerven« (Sympathikus) und nur unter bestimmten Voraussetzungen und richtig dosiert willkommen. Geht es um positive erotische Impulse, unterstützen sie die körperliche Ansprechbarkeit und Erregung. In stressigen oder belastenden Situationen jedoch bewirken sie verminderte Durchblutung und Lubrikation der Genitalien.

NO (Stickstoffmonoxid)

NO ist ein Botenstoff der »Entspannungsnerven«, die sowohl an den vaginalen als auch klitoralen Blutgefäßen wirken und bei sexueller Stimulation zu einer vermehrten Durchblutung der Klitorisschwellkörper und Vagina sowie in der Folge zu einer stärkeren Lubrikation führen.

VIP (Vasoaktives intestinales Polypeptid)

VIP ist neben NO der wichtigste Botenstoff für die vaginale Durchblutung und Lubrikation.

Weiterführender Artikel

Blutgefäße und Sexualität bei der Frau

Quellenangabe

Dieser Text ist, mit freundlicher Genehmigung des Verlages, dem Buch Weiblich, sinnlich, lustvoll von Dr. Elia Bragagna, 2010 erschienen im Ueberreuter Verlag, entnommen.