Imago-Therapie: mit Dialogen zur erfüllenden Sexualität
Entscheidende Impulse für eine erfüllende Sexualität gibt es immer dann, wenn in der Beziehung das Vertrauen zueinander gestärkt wird. Gegenseitige Wertschätzung, Anerkennung und Sicherheit sind die Grundlage dafür, mit Genuss intim sein zu können – und dabei Spaß zu haben. Die Autoren des Artikels begleiten seit 20 Jahren Paare und sind seit 30 Jahren selbst ein Paar und haben erfahren: Wenn es in einer Beziehung keine oder wenig Sexualität gibt, herrscht Unsicherheit zwischen den beiden Partnern. Erst in einer Atmosphäre des Vertrauens und der Sicherheit findet der Sex wieder Raum und man ist bereit, sich auf etwas Neues einzulassen.

Fehlender Sex
Die Frage: „Wer hat Schuld am fehlenden Sex?“ ist falsch gestellt. „Was fehlt in unserer Beziehung, sodass wir keinen oder nur wenig Sex haben?“ ist die zielführende Frage. Denn sobald einer Person die Verantwortung zugeschrieben wird, bekommt die Beziehung Schieflage und es wird immer schwieriger, eine Lösung zu finden.
Meist haben wir in unserer Beziehung schon Phasen erlebt, wo wir eine verbindende und auch zufriedenstellende Sexualität erlebt haben. Wenn diese „verloren“ gegangen ist, dann hat das sehr oft mit der Beziehung, mit dem Vertrauen und der Sicherheit in der Beziehung zu tun. Der beste Weg ist: Man nehme zwei Stühle, setze sich gegenüber, schaue sich in die Augen und erzähle dem Partner ganz ehrlich, welche Ängste und Befürchtungen man hat. Was macht es einem so schwer loszulassen und sich ganz dem Partner zu öffnen? Die Imago-Paartherapie bietet speziell dazu Imago-Dialoge an, die von einem Coach begleitet werden.

Sicherheit und Leidenschaft
Jeder Mensch ist mit Sicherheit und Leidenschaft geboren. Jeder hat die Fähigkeit, eine erfüllende und glückliche Erotik und Sexualität zu leben. Jeder von uns will immer wieder etwas Neues ausprobieren und möchte in der Persönlichkeit wachsen. Doch dazu braucht man vor allem Sicherheit.
Unsicherheit in der Beziehung wird meist nicht bewusst wahrgenommen. Sie versteckt sich eher in Vorwürfen wie zum Beispiel „Du schläfst nicht mit mir“. Ist etwa einer der beiden Partner über einen längeren Zeitraum durch argen Stress oder einschneidende Ereignisse belastet, so wirkt sich das direkt auf die Beziehung aus. In einem solchen Fall tendiert man dazu, es als Problem des anderen zu betrachten. Viel sinnvoller ist es jedoch, sich gemeinsam auf die Suche zu begeben: Wo fehlt es in unserer Beziehung an Sicherheit und Vertrauen? Erst wenn diese Lücke gemeinsam geschlossen wird, kann Sexualität wieder erfüllend sein.

Erotik und Sexualität
Wenn Paare in die Imago-Therapie-Praxis kommen und sich darüber beschweren, sie hätten keinen Sex, dann hilft oft schon die Frage, was sie überhaupt unter Sexualität verstehen. Bald merkt man: Sexualität beginnt für beide Geschlechter schon beim Händchen-Halten auf der Straße oder bei der kleinen Berührung am Rücken während eines Gesprächs. Sie beginnt also bereits früher, bei erotischen Gesten.
Bei mangelnder Sexualität ist es also sehr hilfreich zu schauen, wo bei beiden die Erotik beginnt. Oft finden sich die Antworten bereits in dieser Phase.

Machtkampf im Bett
Was wären Beziehungen ohne Konflikte? Doch manchmal kann ein Streit sich zu einem regelrechten Machtkampf auswachsen, der nicht zuletzt auch im Bett seine Spuren hinterlässt. Hier sind zwei Möglichkeiten zur Lösung:
- Man geht gemeinsam dem Konflikt auf den Grund: Was ist das eigentliche Thema? Wer fühlt sich weshalb verletzt? Im Idealfall hilft ein Imago-Coach. Er öffnet den Blick auf die Hintergründe. Denn die meisten Machtkämpfe entstehen aufgrund früherer, nicht geheilter seelischer Verletzungen in der Kindheit. Wer in der Lage ist, diesen alten Wunden auf die Schliche zu kommen und sie zu heilen, hat einen wichtigen Schritt zur Lösung des aktuellen Konflikts getan – und zu einer wieder erblühenden Sexualität.
- Man lässt den Konflikt draußen: Nicht alle Konflikte haben direkt mit der Sexualität zu tun. Deshalb ist es den Versuch wert, ihn vor der Schlafzimmertür zu lassen. Das ist sicher ein schwieriger Weg, letztlich kann er aber sehr erfolgreich sein. Denn durch körperliche Intimität werden viele Botenstoffe und Hormone ausgeschüttet, die uns wesentlich toleranter, verbindlicher und friedlicher werden lassen – beste Voraussetzungen also, um den Konflikt besser bewältigen zu können. Man muss also einen Streit nicht zuerst schlichten, um dann erfüllenden Sex haben zu können, auch der umgekehrte Weg ist sinnvoll.

Imago-Dialoge und -Workshops
Der Dialog ist ein In-Verbindung-Treten zweier Menschen, die füreinander sehr wichtig sind. Dadurch schaffen sie füreinander Sicherheit. Der Dialog läuft folgendermaßen ab: Die eine Person erzählt etwas aus ihrem Leben, schildert ihre Ängste, Befürchtungen und auch Verletzungen. Sie redet, ohne Vorwürfe zu machen. Die andere Person hört aufmerksam zu und wiederholt dann, was sie gehört hat. Vorwürfe oder eigene Interpretationen oder Einwürfe aus dem eigenen Leben haben in diesem Moment keinen Platz. Anschließend werden die Rollen getauscht.
Dieser Imago-Dialog ist ein wichtiger Baustein in der Imago-Paartherapie. Da ein solcher Dialog recht herausfordernd ist, ist es von Vorteil, zunächst drei Tage Zeit für einen Imago-Paarworkshop zu investieren, um der Beziehung wichtige Impulse für ein erfülltes Sexualleben zu geben.

Verletzungen
Mangelnde Sexualität ist oft auch damit verbunden, dass ein Partner, eine Partnerin oder auch beide in ihrer früheren Geschichte sexuelle Übergriffe kennengelernt haben. Manchmal werden solche Grenzüberschreitungen erst in der Beziehung bewusst und führen zu Problemen. Angst vor Sex mit dem geliebten Partner, der geliebten Partnerin hat dann meist mit der Angst vor neuerlichen Übergriffen zu tun.
Wichtig ist hier, das distanzierte Verhalten des anderen nicht als Vorwurf oder Beleidigung zu verstehen. Vielmehr hilft es, die Not zu erkennen und zu respektieren. Derjenige, der in der Kindheit Übergriffe erlebt hat, ringt nicht nur mit seiner Unsicherheit, sondern auch mit sehr viel Scham. Er braucht daher viel Wertschätzung, Anerkennung und das Gefühl, mit seiner Not willkommen zu sein.
Gerade bei traumatischen Erlebnissen ist es sinnvoll, gemeinsam eine Paartherapie in Anspruch zu nehmen. Doch zumindest die Bereitschaft, über diese Übergriffe zu sprechen, ist ein wichtiger erster Schritt. Er gibt der einen Person die dringend nötige Sicherheit und der anderen Person das Verständnis, dass es nicht an ihr liegt.

Der eigene Körper
Viele wünschen sich vom anderen eine offene Sexualität – und haben dabei mit dem eigenen Körper wenig bis gar keinen Kontakt. Es kann sein, dass man sich selbst nicht greifen, fühlen, sich anschauen oder hören kann. In so einem Fall hilft es, in einem Imago-Dialog der Partnerin/dem Partner zu erzählen, wie man sich selbst in seinem Körper fühlt. Oder den anderen zu einer gemeinsamen Entdeckungsreise einladen. Ist es zum Beispiel für eine Frau schwierig, sich selbst als Frau mit ihrem schönen Busen wahrzunehmen und zu sehen, dann ist es vielleicht hilfreich, wenn sich ihr Partner oder ihre Partnerin mit ihr zum Spiegel stellt, ihr vorher direkt in die Augen blickt (nicht über den Spiegel) und dann sagt: „Jetzt schau einmal in den Spiegel und schau, wie wunderschön diese Frau ist.“
Den eigenen Körper zu erforschen, zu entdecken und zu genießen ist auch eine gute Grundlage, den anderen zu erforschen und zu entdecken.

Die eigenen Bedürfnisse
Paarbeziehung, Intimität und Sexualität hängt viel damit zusammen, wie man den anderen wahrnimmt und inwieweit man bereit ist, ein Feedback zu geben. Ist es zum Beispiel für eine Frau schwierig, mit ihrem Mann körperlich zu sein, weil er ungepflegt ist und nach Schweiß riecht, ist es eine falsch verstandene Rücksichtnahme, es ihm nicht mitzuteilen. Außerdem würde sie ihre eigenen Bedürfnisse und Gefühle dadurch verleugnen. Natürlich ist es wenig ratsam, ihm das mit groben Worten ins Gesicht zu werfen, weil solcherlei Feedback auch zu Scham und womöglich zu Rückzug führen kann.
Feedback ist wichtig, nicht nur kritisches. Selbstverständlich ist auch positives Feedback gefragt: Wertschätzung dafür, was man besonders liebt, das neue Parfum oder das sexy T-Shirt. Und auch Wünsche sind angebracht: „Wenn wir unser Rendezvous haben, wünsche ich mir, dass du dich für mich hübsch machst.“
5-zu-1-Regel
Eine Regel ist in diesem Zusammenhang besonders wertvoll: die 5-zu-1-Regel. Für jedes negative Feedback, für jede Kritik, für jedes böse Wort sollte es mindestens fünf Komplimente, Wertschätzungen oder Anerkennungen geben. Auf die Art sorgt man für ein harmonisches Gleichgewicht, das der Beziehung gut tut – und dem Sex natürlich auch!

Neues
Von Zeit zu Zeit freuen sich manche, wenn sie etwas Neues ausprobieren können – sei es, um Spaß zu haben, oder aus einer Not heraus. In jedem Fall braucht es eine Portion Mut dazu.
Die Devise lautet: Nicht darauf warten, dass der andere den ersten Schritt macht, sondern bei sich selbst beginnen und versuchen, die eigene Ambivalenz zu überwinden. Ein Beispiel: Eine Frau, die bereits fünf Kinder geboren hatte, erzählte ihrem Mann, dass sie sich manchmal nicht ausgefüllt fühlte. Die Scham war auf beiden Seiten groß: Sie, weil sie glaubte, „zu weit“ zu sein, und er, weil er glaubte, in seiner Männlichkeit nicht genug zu bieten. Woraufhin der Mann überlegte, ob sie sich einen Vibrator kaufen sollten. Die Frau, in ihrer Scham, war nicht in der Lage zu antworten. Schließlich fasste er Mut, kaufte einen Vibrator – und gab ihrer gemeinsamen Sexualität eine neue Wende, die sie beide glücklich machte.
Manchmal scheint es schwierig, Mut zu finden. Genau das anzusprechen, nämlich den nicht vorhandenen Mut, kann oft Türen und Tore öffnen. Vorgetäuschter Mut schafft Distanz – ehrlich ausgedrückte Verlegenheit hingegen kann charmant sein und ein Lächeln auf die Lippen beider zaubern.

Date zum Sex
Ein vereinbartes Rendezvous zum Sex kann oft wahre Wunder wirken, auch wenn das viele als unromantisch abtun. Gerade wenn der Kalender mit beruflichen und familiären Terminen voll ist, ist es so wichtig, Zeit füreinander einzuplanen. Denn sonst ist für alles Zeit: für den Beruf, für die Kinder, für die Eltern – doch die Erotik bleibt auf der Strecke.
Allein zu wissen, dass man ein Date mit seiner Frau hat oder seinem Mann, kann schon sehr erotisierend sein. Es weckt Vorfreude und Spannung und steigert Lust und Freude. Solche Termine sollten daher unbedingt ernst genommen und auch eingehalten werden.

Geplante Spontaneität
Für eine Partnerschaft kann es etwas ganz Besonderes sein, dass Sexualität ganz plötzlich im Alltag entsteht. Doch dazu braucht es den entsprechenden Platz, der im Alltag jedoch oft so schwer zu finden ist. Beruf, Kinder, Eltern drängen sich vor – und am Abend fällt man müde ins Bett und wundert sich, dass der Sex auf der Strecke bleibt. Und so hofft man auf den nächsten Abend und dann wieder auf den nächsten …
Der Ausweg aus dieser Frustspirale hört sich ziemlich unromantisch an, doch er hilft: die Entscheidung „jetzt haben wir Sex, egal wie müde wir sind“. Trotz Müdigkeit erwachen nämlich die Lebensgeister und ein bemerkenswertes Phänomen taucht auf: Durch die „geplante“ Spontaneität kommt es immer öfter zu echter Spontaneität, weil der Sex die Grundstimmung in der Beziehung positiv beeinflusst.

Das Schlafzimmer
Stehen im Schlafzimmer ausrangierte Kristallvasen, ungebrauchte Möbelstücke, verstaubte Trockenblumen? Dann ist es kein Wunder, wenn der Sex zu wünschen übrig lässt. Ganz schlimm wird es, wenn lachende Kinderfotos oder gleich die gesamte Ahnengalerie einem beim Sex zuschauen.
Der Lieblingsplatz für Intimitäten will liebevoll gestaltet werden: ein schönes Landschaftsbild vom letzten Urlaub, gedämpfte Beleuchtung, weiche Kissen, kuschelige Decken und eine angenehme Temperatur fördern die Lust am Sex. Denn wer denkt bei kratzenden Leintüchern und Gänsehaut an Intimitäten?

Weitere Informationen
Weitere Informationen finden Sie auch unter www.boesels.at
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