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Kopf der Woche: Anneliese Schwenkhagen

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Dr. Anneliese Schwenkhagen ... 

Dr. Anneliese Schwenkhagen ist Spezialistin für hormonelle Störungen der Frau. Sie ist Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe und führt, gemeinsam mit KollegInnen eine Schwerpunktpraxis in Hamburg. Sie setzt sich vor allem für die Entzauberung von Sexualmythen ein. Ihre Schwerpunkte setzt sie bei den Themen „schmerzhafter Geschlechtsverkehr“ und Lustlosigkeit. Die engagierte Gynäkologin ist diesmal unser „Kopf der Woche“.

Wer ist Anneliese Schwenkhagen –zur Person:

Ich bin Gynäkologin, habe mich auf das Thema Hormone spezialisiert und würde mich von meiner Grundstruktur her als grundvergnügt, engagiert und mit 100 Prozent bei der Sache beschreiben. Ehrgeizig zu sein ist auch eine meiner Eigenschaften, .Manchmal gehen mir die Dinge einfach nicht schnell genug – aber natürlich habe ich aber auch eine faule Seite. Mein Geburtstag ist der 31. Mai 1966.

Warum beschäftigen Sie sich mit Sexualität und Erkrankungen?

Das ist aus meiner Arbeit entstanden. Geplant war das nicht. Aber als ich angefangen hatte, als Ärztin zu arbeiten, zuerst in der Klinik und dann in der eigenen Praxis, wurde ich ständig konfrontiert mit den Themen Lustlosigkeit, Schmerzen bei der Sexualität und auch den Märchen und Mythen, die mit der Sexualität verknüpft sind und die die Frauen unter einen riesigen Erwartungsdruck setzen. Diesem Erwartungsdruck stehen die Frauen oft sehr hilflos gegenüber. Außerdem interessiert mich an der Medizin generell und speziell an der Frauenmedizin: Warum funktionieren bestimmte Dinge so – und wie kann man Abläufe beeinflussen? Die weibliche Sexualität stellt für mich ein großes Puzzle dar, ein Netzwerk aus Hormonen, Partnerschaft, psychosozialer Situation. In dieses Netzwerk muss ich einordnen, wo das Problem meiner Patientin zu suchen ist – und das finde ich absolut spannend.

Welches sind Ihre Lieblingsthemen?

Das Zusammenspiel von Hormonen, Botenstoffen und dem Gehirn finde ich extrem spannend. Mein zweites Thema ist die Lust und die Lustlosigkeit, auch Schmerzen beim Geschlechtsverkehr interessieren mich sehr, ich bin auch sehr häufig in meiner Praxis mit diesem Thema konfrontiert. Das ist ein sehr schwieriges Thema: Wir haben keine wirklich guten Lösungen, und wir wissen noch viel zu wenig darüber, warum es eigentlich zu Schmerzen beim Sex kommt. Hier stecken wir noch in den Kinderschuhen.

Was ist Ihnen in Ihrer Arbeit besonders wichtig?

Ich bin Hormonspezialistin. Das Hormone in unserem Körper wirken, merken wir ja normalerweise eigentlich nicht. Erst, wenn Probleme auftreten: Wenn plötzlich das Aussehen nicht mehr stimmt, wenn die Sexualität leidet oder es zu Zyklusstörungen kommt, dann sind die Hormone plötzlich Thema. Um das zu Grunde liegende Problem zu explorieren, reicht dann keine simple Hormonuntersuchung, zusätzlich muss in einem ausführlichen Gespräch mit der Patientin eine Lösung gefunden werden. Kommunikation ist also ein ganz zentrales Thema. Das gilt im Gespräch mit den Patientinnen ebenso wie in der Praxis, in der ich in Hamburg tätig bin. Wir versuchen, mit guter Kommunikation ein gutes Klima zu schaffen, denn nur dann macht die Arbeit wirklich Spaß.

Wo sehen Sie nach wie vor große Probleme?

Ein Problem, das aber gleichzeitig eine Chance darstellt, ist sicherlich die zunehmende Spezialisierung in der Medizin. Als ich als Gynäkologin angefangen habe, habe ich sicherlich ein breiteres Feld abgedeckt. Mittlerweile habe ich mich spezialisiert, auf das Hormonthema fokussiert. Die Schwierigkeit besteht darin, den Blick auf das Große Ganze nicht zu verlieren. Probleme sehe ich aber auch in der mangelnden Ausbildung der ÄrztInnen anderer Fachrichtung zum Thema Sexualmedizin. Viele KollegInnen sind überhaupt nicht darauf vorbereitet, mit diesem Thema professionell umzugehen. Das braucht viel Arbeit und Training, um die Medizin insgesamt zu verbessern.

Wie wird sich die Sexualität in den kommenden zehn Jahren entwickeln?

Ich glaube, es wird sich viel verändern. Die Generation, die jetzt heranwächst, wird vollkommen anders mit dem Thema Sexualität konfrontiert, als meine Generation. Die Medien spielen hier eine ganz wesentliche Rolle: Da wird viel Leistungsdruck erzeugt. Für Jugendliche existiert ein „Leistungskatalog“ mit sexuellen Praktiken, von denen sie glauben, sie müssten diese Praktiken nicht nur kennen, sondern auch ausüben. Das schafft Erwartungsdruck und ist das Gegenteil von sexueller Kompetenz. Ich weiß nicht, wo das hinführen wird.

Wohin wird sich die Sexualmedizin in den kommenden zehn Jahren entwickeln?

In der Sexualmedizin sehe ich den Wechsel von psychologischen Ansätzen hin zur Neurobiologie. Es wird ein großes Interesse daran bestehen, wie Sexualität eigentlich funktioniert: Welche Botenstoffe spielen eine Rolle, und welche Vorgänge im Gehirn? Ich sehe hier das Bild einer großen Lupe vor mir, mit der wir immer näher an das Thema Sexualität und Funktion herangehen. Und wenn das immer besser verstanden wird, stellt sich die Frage: Und wie kann ich Störungen nun pharmakologisch beeinflussen? Das wird in den nächsten Jahren sicher eine immer größere Rolle spielen. Das bedeutet aber mit Sicherheit nicht, dass Gespräche und die Kommunikation mit den PatientInnen nicht mehr aktuell sind. Ich glaube nicht, dass die Neurobiologie die Psychologie und die Kommunikation ersetzen werden. Ich denke vielmehr, wir werden etwas für unser Repertoire dazu bekommen.

Was tut Anneliese Schwenkhagen, wenn sie nicht arbeitet?

Ich gehe dann gerne laufen, ich bewege mich gerne. Ich lese mit Wonne, das ist immer wieder ein ganz großes Vergnügen. Und ich rede gerne, besonders mit meinem Mann. Wir kochen auch gerne zusammen: Wir planen dann, was wir kochen wollen, gehen gemeinsam einkaufen, stellen uns in die Küche, kochen und schwätzen. Das ist wunderbar.

Lieblingsfarbe?

leuchtendes Orangerot

Lieblingsbuch?

„Der Schatten des Windes“ von Carlos Ruiz Zafon

Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?

Beruflich sehe ich mich in dem Bereich in dem ich auch heute schon arbeite. Ich möchte noch mindestens ein Buch schreiben, für jüngere Frauen – und ich möchte noch ein bisschen mehr von der Welt sehen. Das wäre gut.

Autor

Sabine Fisch
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