Kopf der Woche: Günther Steinmetz
Seit einer radikalen Prostataoperation ist Günther Steinmetz von erektiler Dysfunktion (ED) betroffen, er kann ohne Hilfsmittel keine Erektion mehr bekommen. Schon bald begann er, sich eingehend mit diesem Tabuthema zu befassen, gründete die erste ED-Selbsthilfegruppe in Deutschland und leistet seither unschätzbare Informationsarbeit für Betroffene und ihre PartnerInnen. Sein privates Engagement hat schon Tausenden geholfen, auf der Homepage der Gruppe www.impotenz-selbsthilfe.de räumt er mit vielen in den Köpfen verankerten Mythen auf und nähert sich dem Thema Erektionsstörungen auf neue, lockere und Mut machende Weise. Günther Steinmetz ist daher diesmal unser Kopf der Woche.
Inhaltsangabe
- Wer ist Günther Steinmetz? Zur Person.
- Warum haben Sie die Selbsthilfegruppe für Männer mit erektiler Dysfunktion gegründet?
- Wie kann eine Selbsthilfegruppe einem Mann mit ED helfen?
- Was ist Ihnen in Ihrer Arbeit besonders wichtig?
- Ganz ehrlich: Sie haben eine ED, macht Ihnen das nichts aus?
- Wo sehen Sie nach wie vor große Probleme?
- Wo sehen Sie die Sexualmedizin in zehn Jahren?
- Wie wird sich die Sexualität in den kommenden zehn Jahren entwickeln?
- Was ist Ihr Lieblingsbuch zum Thema Sexualität?
- Was tut Günther Steinmetz, wenn er nicht arbeitet?
- Was ist Ihre Lieblingsfarbe und warum?
- Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?
Wer ist Günther Steinmetz? Zur Person.
Bei mir wurde vor 13 Jahren Prostatakrebs diagnostiziert. Zwischen Diagnose und Operation lagen nur drei Wochen, in denen ich erfahren habe, dass es zwei große Operationsrisiken gibt: Inkontinenz und Impotenz. Gott sei Dank konnte der Krebs vollständig entfernt werden und ich blieb von der Inkontinenz verschont. Aber die Impotenz hat mich voll getroffen, da helfen nicht mal mehr Cialis, Levitra oder Viagra.
Warum haben Sie die Selbsthilfegruppe für Männer mit erektiler Dysfunktion gegründet?
Sexualität hat in meinem Leben immer eine wichtige und schöne Rolle gespielt hat. Deshalb ist mir der Verlust der Erektionsfähigkeit ganz und gar nicht leicht gefallen. Ich hatte aber das große Glück, mich mit meiner Frau immer locker über Sexualität unterhalten zu können, daher konnten wir auch nach der Operation darüber reden. Trotzdem wollte ich sehen, wie andere Männer damit fertig werden und machte mich auf die Suche nach einer Selbsthilfegruppe. Dabei stellte ich fest, dass es in München zwar rund 1.200 und in ganz Deutschland rund 80.000 Selbsthilfegruppen gibt, aber keine zum Thema erektile Dysfunktion. Also gründete ich selbst eine Gruppe.
Ich schrieb alle Urologen in der Umgebung an und bat sie, ihre Patienten über die Selbsthilfegruppe zu informieren, ging an die Medien damit. Trotzdem dauerte es ein Jahr, bis ich ein paar Männer gefunden hatte, die mitmachen wollten. Die Hemmschwelle ist bei diesem Thema einfach sehr groß! Unsere Internetseite www.impotenz-selbsthilfe.de führte jedoch dazu, dass wir viele Anfragen aus dem ganzen deutschsprachigen Raum erhielten. Mittlerweile konnten wir mehr als 4.000 Männer und Frauen beraten und unterstützen.
Wie kann eine Selbsthilfegruppe einem Mann mit ED helfen?
Unsere Stärke liegt darin, dass wir selbst Betroffene sind. Das macht die Kontaktaufnahme mit uns leichter als die anderen Schritte, die dringend folgen müssen. Männer, die sich an uns wenden, machen oft zum ersten Mal die Erfahrung, dass sie sich akzeptiert und verstanden fühlen und erleben das Reden über ihre Probleme als sehr befreiend. Dadurch wird bei vielen Männern das unbedingt notwendige Gespräch mit der Partnerin und der Arztbesuch erst möglich. Darüber hinaus bekommt ein Mann bei uns umfassende und verständliche Informationen über seine Krankheit wie beispielsweise Ursachen, Bedeutung des Arztbesuchs, Arztsuche, Therapie-Optionen, Kostenübernahme durch die Krankenkassen.
Was ist Ihnen in Ihrer Arbeit besonders wichtig?
Uns ist sehr wichtig, Männern klarzumachen, dass eine erektile Dysfunktion niemals das Ende einer befriedigenden Sexualität sein muss. Denn einerseits gibt es Medikamente und Hilfsmittel, die praktisch jedem Mann mit ED wieder eine Erektion und damit einen Geschlechtsverkehr ermöglichen und andererseits kann man auch ohne Erektion guten und für beide Seiten befriedigenden Sex haben. Viele Männer wissen nicht, dass ein Mann auch mit schlaffem Penis einen Orgasmus bekommen kann, denn biologisch gesehen sind Erektion, Orgasmus und Ejakulation drei voneinander unabhängige Vorgänge.
Auch sehr wichtig ist uns, Männern zu sagen, dass wir mit unserem Penis ein tolles Frühwarnsystem haben. Es gibt eine Reihe gefährlicher Krankheiten wie beispielsweise Arteriosklerose und Diabetes, die sich schon früh in einer Erektionsstörung ankündigen. Studien zeigen, dass bei vielen Herzinfarktpatienten schon zwei bis fünf Jahre vor dem Infarkt Erektionsstörungen auftraten. In diesem Zusammenhang ist es besonders tragisch, dass die meisten Männer sich so schwer dazu überwinden können, wegen Erektionsstörungen einen Arzt aufzusuchen.
Der dritte Punkt ist, dass nach unserer Erfahrung die Partnerin, der Partner in einer intakten Beziehung die größte Hilfe ist. Männer sollten nicht versuchen, das Problem allein zu lösen, denn es betrifft beide. Die PartnerInnen sollte zum Beispiel auch bei der Auswahl der Behandlungsmöglichkeit involviert sein, denn wenn ich als Mann eine wähle, die meiner Partnerin, meinem Partner Unbehagen verschafft, wirkt sich das fatal auf die Erotik aus.
Ganz ehrlich: Sie haben eine ED, macht Ihnen das nichts aus?
Doch, es gibt Momente in denen mir meine verlorene Erektionsfähigkeit sehr weh tut. Aber die intensive Beschäftigung mit dem Thema, die Gespräche mit vielen anderen Betroffenen und last but not least meine Frau helfen mir immer wieder, nicht auf das zu starren, was nicht mehr geht, sondern das zu sehen, was möglich ist. Und das ist sehr viel.
Wo sehen Sie nach wie vor große Probleme?
Große Probleme sehe ich in der ärztlichen Versorgung. Wenn Männer sich endlich nach Monaten oder Jahren aufraffen, um wegen ihrer erektilen Dysfunktion einen Arzt aufzusuchen, passiert es leider noch immer oft, dass sie nach zwei Minuten wieder mit einem Rezept in der Hand vor der Tür stehen. Wirkt das Medikament, ist es für den Arzt oft getan. Das sehe ich besonders problematisch in Anbetracht der Tatsache, dass ED ein Hinweis auf eine andere Erkrankung sein kann.
Das zweite Problem ist, dass Männer Erektionsstörungen noch immer als Zerstörung ihrer Männlichkeit sehen und daher unglaublich in ihrem Selbstwertgefühl getroffen werden. Sie schämen sich zum Arzt zu gehen oder mit ihrer Partnerin, ihrem Partner darüber zu reden. Dabei habe ich schon erlebt, dass Paare gerade wegen Erektionsstörungen begonnen haben, sich über ihre Sexualität zu unterhalten und das letztendlich zu einer wesentlich tieferen und befriedigenderen Sexualität geführt hat.
Wo sehen Sie die Sexualmedizin in zehn Jahren?
Da ich nicht vom Fach bin, möchte ich die Frage dahingehend beantworten, was ich mir wünsche. Ich wünsche mir, dass das sexualmedizinische Ausbildungsangebot breiter wird und besser angenommen wird. Es gibt viel zu wenige Fachkräfte, die einen Mann mit erektiler Dysfunktion als Ganzes wahrnehmen, neben den körperlichen Problemen auch die psychische Belastung sehen. Denn in den meisten Fällen spielen bei ED verschiedene Komponenten zusammen. Gute Sexualmediziner nehmen den Menschen hingegen in seiner Gesamtheit wahr.
Mein zweiter Wunsch ist, dass Betroffene bei Qualitätszirkeln, Fortbildungsmaßnahmen oder der Vorbereitung von Studien mehr eingebunden werden.
Wie wird sich die Sexualität in den kommenden zehn Jahren entwickeln?
Hier habe ich eine große Hoffnung und eine große Befürchtung. Meine Hoffnung ist, dass sich die Thematisierung von Sexualität im Alter weiter fortsetzt. Vor einigen Jahren war es für viele noch unvorstellbar, dass ältere Menschen Sex haben. Inzwischen hat sich viel getan und auch die Betroffenen, die Alten selbst, begreifen, dass auch in ihrem Lebensabschnitt Sexualität noch eine wunderbare Rolle spielen kann.
Die Befürchtung die ich habe, entsteht aus den vielen Kontakten, die unsere Selbsthilfegruppe schon mit ganz jungen Leuten hat – bereits 14-, 15-Jährige kontaktieren uns. Hier spielt die freie Zugänglichkeit von Pornos eine große Rolle, die zu einem enormen Leistungsdruck führt. Junge Leute, die noch keine oder nur wenige eigene Erfahrungen haben, sind oft nicht in der Lage, zu durchschauen, dass Pornos nicht die Wirklichkeit darstellen, sondern Fiktion sind. Sex degeneriert zum Leistungssport.
Was ist Ihr Lieblingsbuch zum Thema Sexualität?
„Guter Sex trotz Liebe – Wege aus der verkehrsberuhigten Zone“ von Ulrich Clement. Hier wird mit viel Lockerheit praktische Hilfe für Paare gegeben.
Was tut Günther Steinmetz, wenn er nicht arbeitet?
Meine Arbeit in der Selbsthilfegruppe sehe ich nicht als Arbeit an, denn ich mache sie gern und freiwillig und nicht, um meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Durch unsere Öffentlichkeitsarbeit habe ich viele interessante Menschen kennengelernt, war in unterschiedlichen Talkshows, bei Günter Jauch, Sandra Maischberger, was sehr spannend war. Ansonsten fliehe ich jedes Jahr für drei Monate gemeinsam mit meiner Frau vor dem Winter, den wir beide nicht mögen, meistens nach Australien. Außerdem fahre ich gerne Rad, um ein wenig Sport zu betreiben.
Was ist Ihre Lieblingsfarbe und warum?
Ich mag rot sehr gerne, aber ich kann es nicht begründen. Rot gefällt mir einfach.
Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?
Ich bin jetzt 67 und denke nicht mehr in solchen Zeiträumen, ich versuche im Hier und Jetzt zu leben.