Kopf der Woche: Heinrich Wallnöfer
Heinrich Wallnöfer wurde 1920 in Klagenfurt geboren, studierte Medizin und gilt als einer der Mitbegründer der Psychotherapie in Österreich. Als Schüler des Begründers des Autogenen Trainings, I.H. Schulz, etablierte er das autogene Training auch in Österreich. Er entwickelte die analytische Oberstufe des autogenen Trainings und ist heute noch als Arzt für psychotherapeutische Medizin, Lehrtherapeut und Psychotherapeut und als Autor tätig. In seiner Arbeit setzte er sich seit jeher für eine bewusst gelebte, gesunde, Sexualität ohne falsche Tabus ein. Deshalb ist Heinrich Wallnöfer diesmal unser “Kopf der Woche”.
Inhaltsangabe
- Wer ist Heinrich Wallnöfer –zur Person:
- Warum beschäftigen Sie sich mit Sexualität und Erkrankungen?
- Welches sind Ihre Lieblingsthemen?
- Was ist Ihnen in Ihrer Arbeit besonders wichtig?
- Wo sehen Sie nach wie vor große Probleme?
- Wie wird sich die Sexualität in den kommenden zehn Jahren entwickeln?
- Wohin wird sich die Sexualmedizin in den kommenden zehn Jahren entwickeln?
- Was tut Heinrich Wallnöfer, wenn er nicht arbeitet?
- Lieblingsfarbe?
- Lieblingsbuch?
Wer ist Heinrich Wallnöfer –zur Person:
Es ist an sich schon ein kleines Problem, einen analytisch orientierten Arzt und Psychotherapeuten zu fragen, wer er denn sei. Denn eigentlich weiß er ja, dass er das von allen Menschen am wenigsten weiß. Aber ganz prosaisch: Ich bin Arzt, war schon im zweiten Weltkrieg als Hilfsarzt tätig, danach zwölf Jahre auf einer Herz Station und daher auch somatisch – also körperlich – orientiert. Gerade auf der Herzstation kam dann – wuchtiger – die Seele hinzu. Und da ich auch ein Schriftsteller bin und Radioreporter, habe ich den big old man der deutschen Psychotherapie, den Erfinder des Autogenen Trainings interviewt und war so fasziniert von ihm, das ich sozusagen bei ihm blieb. Ich durfte dann auch mit den Professoren Hans Strotzka, Alois Becker, Hans Hoff, Peter Berner, und vielen anderen, am Aufbau der Psychotherapie, vor allem in Österreich und Italien, aber auch in Deutschland und Japan, mitwirken. Ja, und da bin ich immer noch: Arzt, Psychotherapeut, Schriftsteller und Psychotherapiedozent.
Warum beschäftigen Sie sich mit Sexualität und Erkrankungen?
Man kommt auch heute wohl kaum um Sigmund Freud herum, wenn man sich mit der Psyche befasst, und damit – wenn man sie nicht unbewusst und/oder aus weltanschaulichen Gründen bewusst verdrängt – auch um die Sexualität. Als Arzt ist die Beschäftigung mit den damit verbundenen körperlichen Störungen wichtig.
Welches sind Ihre Lieblingsthemen?
Ich muss mich entschuldigen, als „Psycho“-Vertreter sind mir Worte und ihre Bedeutung wichtig. Es gibt Dinge, die mich brennend interessieren - auch außerhalb der Medizin - aber das sind eben keine Lieblings- sondern faszinierende Themen. Und da steht an erster Stelle für mich und die anderen, wie der Mensch wohl am besten mit der Realität fertig wird. „Lieblingsthema“ ist viel eher die Entwicklung der Politik seit meinem 14. Lebensjahr.
Was ist Ihnen in Ihrer Arbeit besonders wichtig?
Der Umgang mit Menschen und die Möglichkeit ihnen manchmal helfen zu können.
Wo sehen Sie nach wie vor große Probleme?
Probleme wird es geben, solange es Leben gibt, und jede Generation muss sie auf ihre Weise lösen. Leben heißt ja überhaupt Probleme lösen. Im Augenblick habe ich das Gefühl, dass wir auf weite Strecken zugunsten des materiellen Erfolges - der oft bewundernswert ist – zum Teil den Menschen verlieren oder schon verloren haben. Und das gilt keineswegs nur für meine Berufe.
Wie wird sich die Sexualität in den kommenden zehn Jahren entwickeln?
Es dürfte noch mehr Freiheit - oder sagen wir oft auch nur sogenannte Freiheit – geben. Die Naturgesetze werden sich deshalb aber nicht verändern.
Wohin wird sich die Sexualmedizin in den kommenden zehn Jahren entwickeln?
Ich habe 1968 das Buch von Isadore Rubin „Sex nach 60“ bei Hoffmann und Campe herausgegeben und schrieb damals: „wie viel Unglück wäre allein schon zu verhüten gewesen, hätte man nur die Worte des Altmeisters der Psychotherapie, I.H. Schultz, beherzigt, der schon 1918 (!) schrieb: "Die Onanie an sich als krankhaft aufzufassen ist sicher verfehlt“, und zitierte auch Freiherr von Gaggern über den „neuen und vom geschlechtpessimistischen Einfluss bereinigten Zugang zur Sexualität“. Seit damals hat sich das Fach der Sexualmedizin, Giese, Sigusch, Kaplan, Haeberle und viele andere unerhört weiter entwickelt und ich habe den Eindruck, dass hier in den nächsten Jahren noch viel an wissenschaftlicher Erkenntnis zu erwarten ist. Vor allem auch in neurobiologischer Hinsicht, die wiederum starken Einfluss auf psychische Erkenntnisse hat.
Was tut Heinrich Wallnöfer, wenn er nicht arbeitet?
Meine Frau sagt immer: etwas Anderes arbeiten. Das stimmt nicht ganz, ich spiele auch sehr gerne Gitarre, schreibe, lese, war viel am Wasser und ziehe mit den Walking-Stöcken durch die Gegend. Daneben habe ich enge Beziehungen zu asiatischen Formen der Philosophie.
Lieblingsfarbe?
Als Schüler von Max Lüscher, dem Farbenpsychologen, ist diese Frage für mich ein Problem: Man bekommt eine ganz andere Einstellung zu all dem Leuchtenden, das uns umgibt.
Lieblingsbuch?
Alles von Gottfried Benn