Kopf der Woche: Michael Elnekheli
Er ist seit sieben Jahren Vorstandsmitglied in der österreichischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (ÖGGG) und seit zehn Jahren Präsident des Berufsverbandes österreichischer GynäkologInnen (BÖG), der unter anderem die „Mädchensprechstunde“ ins Leben gerufen hat. Eine Initiative, die junge Mädchen in eine gynäkologische Praxis einlädt, um diese kennenzulernen und neutrale Informationen rund um die Sexualität zu bekommen. Privat ist Dr. Michael Elnekheli verheiratet und fühlt sich im Rahmen seiner Patchworkfamily für sechs Kinder verantwortlich. Er selbst bezeichnet sich als Visionär – und wenn er mehr Menschlichkeit in der Medizin fordert, dann glaubt man ihm das auch aufs Wort. Viele gute Gründe, warum wir ihn diese Woche an unseren virtuellen Tisch gebeten haben und Dr. Michael Elnekheli unser Kopf der Woche ist.
Inhaltsangabe
- Wer ist Michael Elnekheli? Zur Person.
- Warum beschäftigen Sie sich mit Sexualität und Erkrankungen?
- Welches sind Ihre Lieblingsthemen?
- Was ist Ihnen in Ihrer Arbeit besonders wichtig?
- Wo sehen Sie nach wie vor große Probleme?
- Wo sehen Sie die Sexualmedizin in zehn Jahren?
- Wie wird sich die Sexualität in den kommenden zehn Jahren entwickeln?
- Was ist Ihr Lieblingsbuch zum Thema Sexualität?
- Was ist Ihr privates Lieblingsbuch?
- Was tut Michael Elnekheli, wenn er nicht arbeitet?
- Was ist Ihre Lieblingsfarbe und warum?
- Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?
Wer ist Michael Elnekheli? Zur Person.
Ich würde mich selbst als Visionär und als Kreativen beschreiben. Meine visionäre Lebenshaltung ist auch die treibende Kraft meiner beruflichen Entwicklung. Neben meinem Beruf als Gynäkologe bin ich standespoltitisch aktiv und sitze in vielen Gremien, in denen ich die Möglichkeit habe, meine Visionen einzubringen und durchzusetzen. Ich wünsche mir zum Beispiel, im Fachgebiet der Frauenheilkunde den Gynäkologen, die Gynäkologin stärker als PräventivmedizinerIn zu positionieren. Immer wieder ist meine Vision auch, darauf zu achten, dass die Frauenheilkunde menschlich bleibt.
Warum beschäftigen Sie sich mit Sexualität und Erkrankungen?
Grundsätzlich hat die Sexualität zwei Aspekte. Zum einen den reproduktiven Aspekt, also die Fortpflanzung. Dieser hat naturgemäß sehr viel mit der Frauenheilkunde zu tun: wir haben Frauen zum Thema Verhütung, zum Thema Kinderwunsch und unerfüllter Kinderwunsch, schwangere Frauen und wir begleiten Frauen zur Geburt. Meiner Ansicht nach hat Sexualität aber auch einen salutogenetischen Aspekt. Damit ist gemeint, dass Sexualität eine Urenergie ist, die - wenn sie richtig gelebt wird - auch gesundheitsfördernd wirkt.
Welches sind Ihre Lieblingsthemen?
Ich habe mich der Präventivmedizin verschrieben. Für mich ist dies der schönste Aspekt der Frauenheilkunde. Nicht Kranke zu behandeln, sondern Einfluss auf die aktive Gesundheitsförderung zu haben. Wenn man Menschen zwischen 14 und 80 Jahren betreut, gibt es in jeder Lebensphase einen Bereich, in den man präventiv Einfluss nehmen kann. Das reicht von Krebsvorsorge über Impfungen, Psychohygiene bis zu Sexualität.
Was ist Ihnen in Ihrer Arbeit besonders wichtig?
Die Achtung des Menschen, der Patientin. Wir Ärzte und Ärztinnen sollten uns immer dessen bewusst sein, dass es hier eine schiefe Ebene gibt. Wir müssen uns aber auf die Ebene des Patienten, der Patientin stellen. Ein väterlicher Freund hatte diesbezüglich einen sehr schönen Lehrsatz: Wenn eine Patientin vor dir sitzt, dann vergiss nicht, sie könnte deine Tochter, deine Frau oder deine Mutter sein. Das muss man sich immer wieder in Erinnerung rufen, auch wenn man im hektischen Alltag einer Kassenordination manchmal versucht ist, es kurz zu vergessen.
Wo sehen Sie nach wie vor große Probleme?
Wenn ich versuche, mich in meine Patientinnen hineinzufühlen, komme ich immer wieder zum Schluss, dass erfüllte, gute Sexualität gute Lebensbedingungen und gute Vorbilder braucht. Darin sehe ich ein gewisses Problem unserer Zeit. Unsere heutigen Lebensbedingungen sind eigentlich nicht schlecht, wir haben meist keine ernsthaft bedrohlichen, existenziellen Sorgen. Und trotzdem scheinen die vielen Stressfaktoren, die auf uns einwirken, für eine gute Sexualität hinderlich zu sein. Wir sollten daher danach trachten, möglichst gute Lebensbedingungen zu schaffen, im Rahmen derer gute Sexualität gelebt werden kann. Das heißt: Stress abbauen und Zeit nehmen für die Beziehung und für die Familie.
Nachdem ich im Rahmen der „Mädchensprechstunde“ viel mit Jugendsexualität und Sexualpädagogik zu tun habe, bemerke ich hier den unangenehmen Trend der Pornographisierung der Sexualität. Wenn das die Vorbilder für die Sexualität sind, dann mache ich mir ein wenig Sorgen! Aber Vorbilder sind ja nicht nur in den Medien zu finden, sondern auch im guten alten Elternhaus. So wie die Eltern mitsammen umgehen, so wird man wohl später vieles in sein eigenes Leben übernehmen - auch wenn man sich vielleicht noch so dagegen sträubt!
Wo sehen Sie die Sexualmedizin in zehn Jahren?
Ich denke, dass die Sexualmedizin einen Boom erleben wird, sehr viele Menschen ihre Wichtigkeit erkennen werden. Wir leben in einer Zeit, in der wir Räume haben für diese Dinge, für spirituelle Gedanken und Auseinandersetzung mit guter Sexualität. Sexualmedizin und Sexualtherapie gibt Menschen die Möglichkeit, an der eigenen Sexualität zu arbeiten und Dinge anzusprechen, die vielleicht noch vor 50 Jahren nicht als Problem akzeptiert waren. Ich glaube, dass man an Sexualmediziner auch Dinge herantragen wird, die nicht wirklich dramatisch sind: hier tut sich eine Art sexueller Wellnessbereich auf.
Wie wird sich die Sexualität in den kommenden zehn Jahren entwickeln?
Zehn Jahre sind ein kurzer Zeitraum, ich glaube nicht, dass sich Sexualität in so einem Zeitabschnitt überhaupt verändert! Sexualität ist in Wahrheit unverändert seit Adam und Eva. Was sich verändert, ist die Gesellschaft – und Sexualität ist natürlich sehr abhängig vom gesellschaftlichen Umfeld.
Wie schon angesprochen, mache ich mir auch ein wenig Sorgen um die Pornographisierung der Jugendsexualität. Aber ich glaube auch, dass dieser Trend wieder selbstlimitierend sein wird. Wenn etwas so allgegenwärtig ist, verliert es mit der Zeit wieder seinen Reiz. Wichtig ist es immer, etwas dagegenzuhalten, von allen Seiten. Und das geschieht auch, es gibt sehr viele Aktivitäten, Initiativen und auch mediale Auseinandersetzungen.
Was ist Ihr Lieblingsbuch zum Thema Sexualität?
Wenn es darum geht, meinen Patientinnen etwas zu empfehlen, dann möchte ich ein sehr einfaches, kurzes und gutes Buch nennen: „Sex auf Wolke 7“ von Bärbel Mohr. Es gibt auch ein Standardwerk der 1970er Jahre, das ich sehr schätze: „Ich bin okay, du bist okay“ von Thomas A. Harris. Hier kommt zwar nicht ein einziges Mal das Wort Sexualität vor, aber es beschäftigt sich mit der Transaktionsanalyse, mit Kommunikation und Beziehungen. Und Sexualität ist schließlich die sensibelste Form der Kommunikation.
Was ist Ihr privates Lieblingsbuch?
„Der Zauberberg“ von Thomas Mann.
Was tut Michael Elnekheli, wenn er nicht arbeitet?
Ich fühle mich für eine sehr große Patchworkfamilie mit sechs Kindern verantwortlich und das füllt mein Leben komplett aus!
Was ist Ihre Lieblingsfarbe und warum?
Es ist zwar definitiv nicht die Farbe, die ich anziehe, aber meine Lieblingsfarbe ist dennoch rot. Ich finde rot eine tolle Signalfarbe. Die Farbe der Erotik und Sinnlichkeit, die Farbe der Fruchtbarkeit. Rot ist auch die Farbe des Blutes, der Menstruation, des Lebenssaftes. Eine sehr starke Farbe!
Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?
Ich sehe mich in zehn Jahren im Prinzip genau da, wo ich auch jetzt stehe. Beruflich und familiär wird sich hier nichts mehr ändern, beide Bereiche werden auch weiterhin das Zentrum meines Lebens sein!