Kopf der Woche: Volkmar Sigusch
Wir präsentieren Persönlichkeiten, deren Einsatz und Innovationsgeist das Gebiet der Sexualmedizin maßgeblich beeinflussen.
Diese Woche: Prof. Dr. med. Dr. habil Volkmar Sigusch, Arzt und Soziologe: ist heute einer der angesehensten Sexualwissenschaftler der Welt. Er erhielt 1972 den ersten selbstständigen Lehrstuhl für Sexualwissenschaft in Deutschland. Zusammen mit den führenden US-amerikanischen Sexualforschern Paul Gebhard, William H. Masters und Virginia E. Johnson gründete er 1973 die International Academy of Sex Research (IASR).
Sigusch gilt als Pionier der deutschen und europäischen Sexualmedizin, weil er als erster eine empirische, klinische und theoretische Begründung des Faches Sexualmedizin vorlegte. Sein erstes sexualmedizinisches Buch „Ergebnisse zur Sexualmedizin“ ist international das erste Buch, das „Sexual Medicine“ oder „Sexualmedizin“ im Titel führt. Seine Abhandlung “Die Mystifikation des Sexuellen” ist in die französische Encyclopédie philosophique universelle als ein Werk des Jahrhunderts aufgenommen worden. Seine Bücher „Neosexualitäten“ und „Geschichte der Sexualwissenschaft“ eroberten erst vor kurzem die Sachbuch-Bestenlisten.
Inhaltsangabe
- Wer ist Volkmar Sigusch?
- Warum beschäftigen Sie sich mit Sexualität und Erkrankungen?
- Welches sind Ihre Lieblingsthemen?
- Was ist Ihnen in Ihrer Arbeit besonders wichtig?
- Wo sehen Sie nach wie vor große Probleme?
- Wie wird sich die Sexualität in den kommenden zehn Jahren entwickeln?
- Wohin wird sich die Sexualmedizin in den kommenden zehn Jahren entwickeln?
- Was tut Volkmar Sigusch, wenn er nicht arbeitet?
- Lieblingsfarbe?
- Lieblingsbuch?
- Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?
- * Eros und Anteros
- Bücher von Volkmar Sigusch
Wer ist Volkmar Sigusch?
Volkmar Sigusch (* 11. Juni 1940 in Bad Freienwalde (Oder)), ist ein Sexualforscher, Arzt und Soziologe. Er war Direktor des Instituts für Sexualwissenschaft am Klinikum der Goethe-Universität Frankfurt am Main.
Prof. Sigusch war von 1973 bis 2006 Direktor des Instituts für Sexualwissenschaft der Universität Frankfurt am Main. Nach dem Studium der Medizin, Psychologie und Philosophie war er klinisch u. a. in den Fächern Innere Medizin, Gynäkologie, Kinderpsychiatrie sowie vor allem Erwachsenenpsychiatrie und Sexualforschung tätig. Als jüngster Medizinprofessor auf den ersten selbstständigen Lehrstuhl für Sexualwissenschaft berufen, entfaltete er national und international eine ungewöhnliche Wirkung. Heute ist er einer der angesehensten Sexualmediziner der Welt.
Warum beschäftigen Sie sich mit Sexualität und Erkrankungen?
Weil das Elend nach wie vor sehr groß ist und mich bereits als Heranwachsender die Heuchelei und Verlogenheit auf diesem Gebiet empörte.
Welches sind Ihre Lieblingsthemen?
Sexualtheorie, Neosexualitäten, die „gemeine“ Liebe, das Vermeiden von sexuellen Störungen durch notwendige Medikamente und operative Eingriffe
Was ist Ihnen in Ihrer Arbeit besonders wichtig?
Meine Unabhängigkeit als Universitätslehrer, das Vertrauen der Patienten und die Hoffnung, das sexuelle Elend ein wenig reduzieren zu können.
Wo sehen Sie nach wie vor große Probleme?
In allen Bereichen, von den festen Beziehungen bis hin zum Shopsex. In unserer Kultur regiert nach wie vor Anteros, nicht Eros.*
Wie wird sich die Sexualität in den kommenden zehn Jahren entwickeln?
Ich sehe vor allem eine Dispersion, das heißt eine individuelle und eine ökonomisierte Zerstreuung sexueller Fragmente, sowie eine Diversifikation, das heißt eine Pluralisierung sexueller Verhältnisse, sodass sich auch bisher verpönte Sexual- und Geschlechtsformen zu erkennen geben können und vielleicht zunehmend anerkannt werden, wie in den letzten Jahrzehnten Homosexualität, Bisexualität, bestimmte Fetischformen, Transgender usw. und in Zukunft Objektophilie, Asexualität, Neozoophilie usw. In meinem Buch „Neosexualitäten“ habe ich das alles ausführlich beschrieben.
Wohin wird sich die Sexualmedizin in den kommenden zehn Jahren entwickeln?
Noch erfreulicher werden hoffentlich die wirksamen Medikamente gegen sexuelle Funktionsstörungen sein, unerfreulich ist schon jetzt der Abbau von Forschungs- und Behandlungseinrichtungen, jedenfalls in Deutschland.
Was tut Volkmar Sigusch, wenn er nicht arbeitet?
Ich arbeite leider fast immer. In letzter Zeit zwinge ich mich aber dazu, mal ins Café zu gehen, einen Roman zu lesen oder auf meinem alten Klavier zu spielen.
Lieblingsfarbe?
Grün
Lieblingsbuch?
Ehrlich gesagt, zur Zeit das „Personenlexikon der Sexualforschung“, das wir nach drei Jahrzehnten des Sammelns und Forschens endlich publizieren konnten.
Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?
Nicht mehr unter den Lebenden
* Eros und Anteros
Eros ist in der griechischen Mythologie der Gott der Liebe, während Anteros der Gott der Rache ist.
Bücher von Volkmar Sigusch
Geschichte der Sexualwissenschaft
Neosexualitäten
Personenlexikon der Sexualforschung
Sexuelle Welten - Zwischenrufe eines Sexualforschers