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Lustdämpfer Kinder

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Viele junge Eltern kennen die Situation: das Wunschkind ist da, es ist entzückend, süß, lustig - und anstrengend. Es fordert Zeit, viel Zeit. Und daneben müssen die Eltern noch arbeiten, den Haushalt führen und all jene hundert Dinge erledigen, die tagtäglich anfallen. Zeit für sich selbst? Zeit für die Partnerschaft? Gar Zeit für Sex? Fehlanzeige!

Beziehungsprobe

Wer sich der Illusion hingegeben hat, dass Kinder eine Beziehung ausschließlich bereichern, wird zwangsläufig enttäuscht. Denn so wunderbar Kinder auch sind, für die Partnerschaft stellen sie gerade in den ersten Jahren der zeitintensiven Betreuung eine Belastungsprobe dar. Und für das Sexualleben der jungen Eltern erst recht.

Freundlich - und leidenschaftslos

Nach außen scheint vielleicht alles in Ordnung, beide Elternteile begegnen einander freundlich und zuvorkommend. Das ist aber oft schon alles. Denn außer einem liebevollen Kuss auf die Wange und Kuscheln beim Fernsehen findet manchmal schon seit langem keine zärtliche, geschweige denn sexuelle Annäherung mehr statt. Ein ehemaliges Liebespaar lebt dann wie zwei Geschwister miteinander – und das kann traurig machen.

Streitpunkt Sex

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Oft sind es die Frauen, die aus Müdigkeit und Überlastung beginnen, dem Mann auszuweichen und sexuellen Kontakt zu vermeiden. Vor oder nach ihm schlafen gehen, sich keinen Situationen aussetzen, die zu Sex führen könnten. Nicht selten wird daraus ein Streitpunkt in der Beziehung, ein allgegenwärtiges Problem. Schläft sie doch mit ihm, ist es oft nur halbherzig. Das merkt der Mann natürlich und das Problem wird dadurch nicht besser. Es ist ein Dilemma, in das junge Eltern hier hineinschlittern können: Sie fühlt sich schuldig und hat Angst, dass er sich mit der Zeit nach einer anderen umsehen könnte. Er bringt zwar bis zu einem gewissen Grad Verständnis auf, möchte aber eben auch Sex. Mit einer Frau zu schlafen, die nicht bei der Sache ist und einfach nur da liegt, macht ihm aber auch keine Freude. Natürlich können die Rollen auch umgekehrt sein: Die Frau möchte Sex, der Mann ist lustlos!

Versuche, den Partner oder die Partnerin mit erotischer Literatur, Filmen und sexy Unterwäsche sexuell zu motivieren können da zwar manchmal fruchten – manchmal aber auch nach hinten losgehen. Das ist dann der Fall, wenn sich die Partnerin oder der Partner dadurch noch mehr bedrängt fühlt und in der Folge hinter jedem Körperkontakt den Versuch einer sexuellen Annäherung vermutet.

Ursachen der Lustlosigkeit

Die Ursache für diesen körperlichen Rückzug sind in der Phase, wenn die Kinder noch ganz klein sind, sehr oft Überforderung, Erschöpfung und Müdigkeit. So ist die Frau vielleicht ohne Hilfe den ganzen Tag alleine mit einem schreienden oder trotzenden Kind. Sie ist daneben noch für die Organisation und Durchführung des Haushalts verantwortlich und vielleicht auch schon wieder Teilzeit in ihren Beruf zurückgekehrt. Nacht für Nacht kann sie womöglich nicht durchschlafen, weil das Kind regelmäßig aufwacht und sie ihren Mann nicht um Unterstützung bitten will, weil er ja frühmorgens zur Arbeit muss. Zwangsläufig ist die Folge, dass sie erschöpft und gereizt ist und sich alles in ihr sträubt, wenn ihr Partner auch noch Sex haben will. Das Bett wird nur noch mit der Sehnsucht nach Schlaf, nicht aber mit erotischen Stunden in Verbindung gebracht. - Außerdem liegt ohnehin auch oft das Kind darin!

Medizinische Begründung

Medizinisch gesehen meldet im Gehirn das „Gefühlszentrum“ bei Überforderung den „Sexzentren“ Unbehagen. Die Sexzentren registrieren diese Meldung und beginnen sie bei häufiger Wiederholung zu speichern. In der Folge fällt es dem Körper sehr schwer, auf sexuelle Reize anzusprechen. So baut sich nur selten ein Lustgefühl auf, denn Sex wird unter solchen Bedingungen für den Körper uninteressant. Druck von Seiten des Partners steigert das Unbehagen und folglich die Lustlosigkeit weiter.

Auswege aus dem Dilemma

Was kann ein Paar nun tun, um aus dieser Lustlosigkeitsspirale herauszukommen? Der lustlose Partner muss lernen wahrzunehmen, welche Situationen sie oder ihn überfordern und wie er oder sie sich Unterstützung holen kann. Absolut wichtig ist, sich auch Zeit für das Miteinander zu sichern. Zeit, die nur dem Paar gehört – ohne Kinder, Arbeit und Besuch. Und beide müssen lernen, über ihre körperlichen Bedürfnisse zu reden. Es kann vielleicht den lustlosen Partner verblüffen, zu merken, dass der andere körperliche Nähe sehr genießen kann, auch ohne gleich zur Sache zu kommen. Mit der Zeit können beide lernen, sich nicht nur als Eltern, sondern auch wieder als Liebespaar zu fühlen.

In bester Gesellschaft

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Eine brandaktuelle Studie der Zeitschrift „Eltern“ hat übrigens das Sexualleben von Eltern mit mindestens einem Kind zwischen ein und sechs Jahren genau beleuchtet. Das Ergebnis kann besorgte Paare vielleicht ein klein wenig trösten: sie sind nicht alleine mit der Problematik, zu müde für Sex zu sein. Dem stimmen ganze 64 Prozent der Befragten zu. Wird bereits wieder einem Teilzeitjob nachgegangen (meistens betrifft das die Frauen) wächst die Zahl gar auf 79 Prozent.
Die persönlichen Erwartungen und den selbst auferlegten Leistungsdruck ein wenig herabzuschrauben, macht durchaus Sinn, denn das Sexleben leidet in der Regel nun mal unter Kindern. Trotzdem muss man sich nicht gottergeben in sein Schicksal fügen, sondern kann das Liebesleben auch wieder positiv beleben. Auch um zu vermeiden, dass man sich vor lauter Alltag voneinander entfremdet.

Tipps für Jungeltern

So sichern Sie sich Ihr Liebesleben:

  • Reden Sie mit Ihrem Partner.
  • Besprechen Sie, wie Sie einander entlasten können.
  • Sorgen Sie rechtzeitig für ein gutes Netz an Unterstützung.
  • Teilen Sie mit, wenn Sie sich überfordert und müde fühlen, auch wenn andere Mütter sich leichter tun.
  • Sorgen Sie für genug Schlaf.
  • Gönnen Sie sich einige Stunden für sich alleine.
  • Wenn Sie keine Lust auf Sex haben, teilen Sie mit warum, dann kann Ihr Partner nachvollziehen was los ist.
  • Suchen sie Körperkontakt der ihnen angenehm ist, denn Ihr Körper produziert dann vermehrt das Bindungshormon Oxytocin.

Autor

Dr. Elia Bragagna (April 2011)