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Angstlos – aber lustlos

Die Sexualmedizinerin Dr. Elia Bragagna berichtet in der „Sprechstunde“ von Fällen aus ihrer täglichen Praxis. Alle persönlichen Angaben der Patienten und Patientinnen wurden geändert, die Geschichten, Probleme und Lösungsfindungen entsprechen jedoch der Realität.

Elisabeth S. (26) ist seit ca. zweieinhalb Jahren sexuell lustlos. Sie hat jede Freude an Sexualität und ihr Bedürfnis danach verloren.

Problem

Frau S. reist von sehr weit an, um Hilfe für ihr Problem zu bekommen. Ihre Beziehung ist sehr belastet: Sie und ihr Freund würden zwar gerne heiraten, sie traut sich aber nicht, ohne dass die Ursache für ihre Lustlosigkeit abgeklärt ist. „Wir sind doch viel zu jung, um eine Beziehung ohne Sexualität leben zu können“, meint sie.

Vorgeschichte

Während vieler Arztbesuche sind bereits alle gängigen Untersuchungen gemacht worden, auch Blutwerte und Hormonspiegel wurden bestimmt. Da alle Werte in Ordnung waren, war man zu der Überzeugung gelangt, dass es sich nur um ein seelisches Problem handeln könne. Allerdings waren auch zehn Besuche bei einer Psychotherapeutin wirkungslos.

Im Verlauf des Erstgespräches meinte Frau S., dass sie es verstanden hätte, wenn sie während der Prüfungsphase vor drei Jahren lustlos geworden wäre. Das sei eine entsetzlich belastende Zeit gewesen. Sie berichtet, dass sie große Angst vor der Prüfung hatte, was zu Schlafstörungen und sogar gelegentlich zu Panikattacken geführt hatte. Zum Glück habe ihr praktischer Arzt ihr damals Antidepressiva verschrieben. Diese hätten ihr sehr gut geholfen und sie stabilisiert. Sie habe die Prüfung gut bestanden. Überhaupt sei ihr Leben danach wie im Bilderbuch verlaufen. Sie habe einen sehr befriedigenden Beruf und einen wunderbaren Partner.

Medizinische Erklärung

Auf Nachfragen stellte es sich heraus, dass sich das Symptom der Lustlosigkeit einige Monate nach Einnahme der Antidepressiva eingestellt hatte. Eigentlich hätte sie die Medikamente nur für die Phase der extremen Belastung gebraucht, aber sie verliehen ihr Sicherheit und nahmen ihr die Angst vor einem Rückfall. Mit ihrem Arzt hatte sie eigentlich nie mehr darüber geredet, wie sie mit den Medikamenten verfahren sollte. So war sie bei einer regelmäßigen Einnahme geblieben. Tatsächlich hatte Frau S. zwar ganz moderne Medikamente erhalten, doch können auch diese zu Lustlosigkeit oder Orgasmusproblemen führen.

Lösungsansätze

Frau S. hatte Glück. Ihr Leben lief in geregelten Bahnen ab, sie war mit sich, ihrem Beruf und der Partnerschaft zufrieden und stand mit beiden Beinen fest im Leben. Deswegen konnte sie langsam mit dem Absetzen der Medikamente beginnen. Bei ihrem Folgebesuch nach zwei Monaten kam sie mit ihrem Partner. Beide waren sichtbar erleichtert und froh, dass sie sich jetzt der nächsten schönen Aufgabe stellen konnten – der Hochzeitsplanung. Denn durch das Absetzen der Medikamente hatte Frau S. ihre Freude und Lust an Sexualität wieder zurück gewonnen.

Informationen

Volkskrankheit Depression

• Fast jede/r zehnte ÖsterreicherIn leidet an einer Depression.
• Frauen sind doppelt so häufig betroffen wie Männer.
• Über die Hälfte der Betroffenen sind nicht behandelt.

Sexualstörungen können neben anderen Beschwerden oft Ausdruck einer Depression sein. Diese Erkrankung ist gut behandelbar. Warten Sie nicht zu lange, bis sie Hilfe holen. Informationen über die Erkrankung, Selbsthilfegruppen, behandelnde Ärzte und Psychotherapeuten erhalten Sie unter www.depression.at und www.clubD&A.at

Antidepressiva

Nicht alle Antidepressiva wirken sich gleich stark auf Ihre Sexualität aus.
Sprechen Sie mit Ihrem behandelnden Arzt offen darüber, dass Ihnen Ihre Sexualität wichtig ist. Setzen Sie NIEMALS wegen der kontrasexuellen Nebenwirkungen selbst ein Medikament ab. Ihr Arzt wird mit Ihnen einen gangbaren Weg suchen. Vergessen Sie nicht, dass oft erst durch eine gute medikamentöse Einstellung die Freude am Leben und an der Sinnlichkeit wieder zurückkommt.

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Autor

Dr. Elia Bragagna (Juli 2011)