Sexuelle Attraktivität
Was bedeutet „sexuelle Attraktivität“? An welchen Kriterien lässt sie sich festmachen? Und: Sind wir in der Wahl unserer PartnerInnen tatsächlich so frei wie wir glauben?

Was ist schön?
Einer der wichtigsten Sätze zum Thema Schönheit und Attraktivität lautet: „Die Schönheit liegt im Auge des Betrachters!“ Schönheit ist also ein sehr subjektives Thema. Auch die Attraktivität – quasi die „kleine Schwester“ der Schönheit, unterliegt kaum objektiven Grundsätzen. Kaum deshalb, weil es sich die wissenschaftliche Forschung schon seit Jahren zur Aufgabe gemacht hat, herauszufinden, warum wir welche Menschen schön und attraktiv finden, mit ihnen eine Partnerschaft eingehen und/oder Sex haben wollen. Und tatsächlich konnten mittlerweile einige Attribute ausgemacht werden, die die Schönheit/Attraktivität des Menschen beeinflussen oder, besser gesagt, die beeinflussen, warum der eine Mensch von einem anderen Menschen schön und attraktiv gefunden wird, von einem anderen Menschen dagegen gar nicht.

Veränderte Schönheitsideale
Natürlich gibt es Menschen auf der Welt, die fast alle anderen Menschen schön finden, denken Sie an Models wie Claudia Schiffer oder – die immer wieder als Stilikone bezeichnete Kate Moss. Trotzdem, das Schönheitsideal ist auf der ganzen Welt unterschiedlich (siehe Abbildung). Auch über die Jahrhunderte hinweg hat sich das, was als schön, als sexuell attraktiv gilt, immer wieder verändert.
Sexuelle Attraktivität scheint noch deutlicher der Subjektivität zu unterliegen, als „Schönheit“ als allgemeiner Begriff. Denn, was bei dem einen das Blut zum Kochen bringt, lässt den anderen gleichgültig; und was die eine an den Rand der Ekstase führt, ist der anderen ganz egal.

Wir sind unsere Gene
Ganz so subjektiv ist die sexuelle Attraktivität allerdings auch wieder nicht. Eine ganze Reihe von Faktoren spielt eine Rolle, wenn ein Mensch einen anderen Menschen so hinreißend findet, dass er oder sie ihn am liebsten umgehend aufs nächstliegende Lager ziehen möchte. Die Wissenschaft bemüht sich seit Jahren, herauszufinden, was den diese subjektiven Attraktivitätskriterien ausmacht. Diese wissenschaftliche Disziplin hat sogar einen eigenen Namen, sie wird Attraktivitätsforschung genannt.
Denn eines ist mittlerweile klar: Unsere Gene haben einen sehr großen Einfluss auf das, was wir attraktiv finden und beeinflussen somit unsere PartnerInnen-Wahl ganz außerordentlich stark. Was sich bei vielen unterschiedlichen Forschungsarbeiten herauskristallisierte ist zwar aus feministischer Sicht nicht gerade berauschend, aber offensichtlich fix in uns einprogrammiert. So sollen Frauen jene Männer anziehend finden, die sie gut versorgen können und deren – durch gutes Aussehen, das natürlich wieder subjektiv ist – Gene für gesunden Nachwuchs sorgen. Männer wiederum entscheiden sich – zumindest aus der Sicht der Wissenschaft – für Frauen, die dem Kindchenschema entsprechen (zum Kindchenschema später mehr), weil diese Jugend signalisieren und Jugend bedeutet: Diese Frau kann noch viele Kinder bekommen und aufziehen.
HumanbiologInnen sprechen in diesem Zusammenhang von einem „angeborenen Sinn für Schönheit“, also etwas, das jeder Mensch mitbekommt und was nicht anerzogen werden kann. Gerüche sind dafür ein schönes Beispiel.

Du riechst so gut
Bestimmt kennen Sie den Satz: Den kann ich nicht riechen! Da ist tatsächlich etwas Wahres dran. Denn jeder Mensch strömt ununterbrochen ein bestimmtes Pheromongemisch aus (Pheromone sind Sexuallockstoffe, die der menschliche Organismus produziert). Diese Pheromone nehmen wir unterbewusst wahr, bewusst „riechen“ können wir sie nicht. Wer die Pheromone eines anderen mag, hat das Gefühl: Dieser Mensch ist attraktiv, mit dem könnte ich mir Sex vorstellen.
Kompliziert wird die Sache allerdings sehr wohl durch jene Attribute, die dem Menschen anerzogen werden. Denn nicht nur ein angeborener Sinn für Schönheit, sondern auch die Umgebung, in der ein Mensch aufwächst, die Vorbilder, die sie/er hat und die Attribute, die sie/er im Laufe ihres/seines Lebens als schön zu erkennen lernt, spielen natürlich bei der sexuellen Attraktivität eine Rolle.

Selbstbewusstsein und Humor
Die Ursachen für sexuelle Attraktivität setzen sich also aus einem Konglomerat verschiedenster Aspekte zusammen. Nicht immer, eigentlich sogar eher selten, haben diese Aspekte etwas mit vordergründiger Schönheit zu tun. Selbstbewusstsein kann sexy sein. Denken Sie an Beth Ditto, die Sängerin der Band Gossip. Die Frau ist kugelrund, extrem selbstbewusst und von VerehrerInnen umschwärmt (Ditto ist lesbisch). Sexuelle Attraktivität muss also gar nichts mit körperlicher Schönheit zu tun haben. Intelligenz, Humor, ein sichtbares „sich wohlfühlen im eigenen Körper“, all das trägt zu sexueller Attraktivität bei.

Kindchenschema
Ein paar Worte noch zum Thema „Kindchenschema“
Der Begriff „Kindchenschema“ wurde übrigens vom Verhaltensforscher Konrad Lorenz geprägt. Brigitte Bardot wurde als junge Frau häufig auch als „Kindfrau“ betitelt, ebenso wie die österreichische Schauspielerin Romy Schneider. Heute sind es amerikanische Schauspielerinnen, wie etwa Michelle Pfeiffer oder Meg Ryan, die am auffälligsten dem Kindchenschema entsprechen. Auch die zickige Brünette in Sex and the City entspricht auffällig diesem Schema.
Nach welchen Schemata richtet sich der Mensch, wenn er oder sie einen anderen Menschen sexuell attraktiv findet? Eine Studie der Universität Regensburg hat ermittelt: Männer finden Frauen immer attraktiver, je eher sie dem Kindchenschema (große Augen, hohe Stirn, kleiner Mund) entsprechen. Wer möchte, kann sich hier in dieses Thema vertiefen. Bei den Männern sind es übrigens schmale Gesichter, gebräunte Haut und faltenloser Teint!

Intelligenz vor Schönheit:
Wenn ein Mensch sexuell attraktiv finden, hängt also von einer Reihe festgelegter genetischer Faktoren, aber auch von dem, was wir im Laufe unseres Lebens als attraktiv zu beurteilen lernen, ab. Sexuelle Attraktivität hat bei weitem nicht nur mit äußerer Schönheit zu tun, nicht einmal auf den ersten Blick. Das zeigte eine Studie der Universität Radboud in den Niederlanden. In dieser Studie wurden 15 Männer dabei gefilmt, wie sie sich sportlich betätigten, einen Sprachtest absolvieren, Nachrichten vorlesen oder etwa erklären, welche Konsequenzen es hätte, wenn es Leben auf dem Mars gebe. Diese Aufnahmen wurden danach rund 200 Frauen vorgelegt, die sich – Überraschung – sowohl für Langzeitbeziehungen als auch für One-Night-Stands eher jene Männer aussuchten, die ihnen – aufgrund der Filmaufnahmen – intelligenter erschienen. Die körperliche Attraktivität der Männer dagegen wurde nur als zweitrangiges Auswahlkriterium angesehen.
Sexuelle Attraktivität muss also nicht unbedingt etwas mit körperlicher Schönheit zu tun haben. Sie hat aber viel damit zu tun, wie Sie sich sehen, wie Sie mit sich umgehen und was Sie nach außen hin ausstrahlen. Zufriedene, in sich ruhende Menschen, Wirbelwinde die alle mitreißen oder witzige ZeitgenossInnen, die andere zum Lachen bringen – all das kann für eine/einen anderen einen hohen Grad an sexueller Attraktivität bedeuten.
