Sexuelle und verwandte Probleme relativ einfach „aufdecken“ - drei Beispiele

Ein Arzt fürchtet um sein Kind
Mit der schon im Beitrag „Mit dem Farbstift ins Unbewusste: Zeichnen und Malen als Zugang zu unbewussten sexuellen Problemen“ erwähnten Methode „Gestalten vor und nach dem Autogenen Training/Autogene Psychotherapie“ gibt es viele Beispiele, wie man sexuelle oder mit der Sexualität in Verbindung stehende Probleme „Aufdecken“ und anschließend bearbeiten kann. Ein Beispiel sind die beiden untenstehenden Bilder „Vor und Nach dem Autogenen Training“ eines Kollegen. Er zeichnete mit den „Lüscher-“ Farbstiften auf das A4 Blatt diese kleine Skizze:

Erstaunliche Veränderung

Beim Zeichnen dachte er: „soll das ein Kreuz sein?“. Dann „ging“ er für eine halbe Stunde ins Autogene Training und zeichnete danach, ausschließlich mit dem schwarzen Stift, die zweite Skizze:

Das Bild hinter dem Bild

Dieses Bild war dann für ihn und für die Gruppe eindeutig ein Leichenzug, eine große, schwarze Trauerfahne, getragen von einem schwarzen Mann und dahinter der Sarg, der Blumenwagen und die Trauergemeinde. Bis einem der Kollegen auffiel, dass die schwarze Fahne ja den Arzt an eine Gebärmutter erinnere und der skizzierte Leichenzug an die Scheide. Gebärmutter und Scheide stehen zueinander in einer Lage, die man „Retroflexio“ „Rückwärtsneigung“ nennt. Die Umrisse sind für den anatomisch Geschulten wirklich verblüffend. Damit war dann auch das erste Bild für das „Ärztekollegium“ nicht mehr ein „Kreuz in einer Verzierung“ sondern ein geöffnetes, ein „defloriertes“ Hymen - ein Jungfernhäutchen.

Gefährliche Rückwärtsneigung

Und - wie bei einem AHA Erlebnis in der Psychoanalyse - war dem Kollegen alles „klar“. Seine Frau war knapp im zweiten Monat schwanger und hatte eben das, was die Gynäkologen eine „Retroflexio uteri“ nennen. Die Gebärmutter ist dabei nach rückwärts geneigt, in Richtung des Kreuzbeins. Eine Erscheinung, die gar nicht selten vorkommt. Die Rückwärtsneigung macht manchmal Schmerzen beim Verkehr, bleibt aber häufig auch - weil ganz ohne Symptome - unerkannt. Gefährlich kann die Sache werden, wenn die Frau schwanger wird. Meist richtet sich die „geknickte“ Gebärmutter von selbst auf. Tut sie das aber nicht, dann kommt es ohne Eingriff zur Fehlgeburt und unter Umständen zu weiteren, sehr unangenehmen Komplikationen.

Das Unbewusste lässt sich nicht betrügen

Nun war der Fall wohl eindeutig: Die Angst um das sehr erwünschte Kind und die Angst wegen der Gefährdung der Frau hatten sich hier deutlich Luft gemacht. Als Arzt meinte der Kollege aber bewusst, dass er das Umgehen mit dieser möglichen Gefahr sehr gut um Griff hatte. Man darf hier wohl sagen, Arzt hin oder her, er hatte seine Angst um Frau und Kind sicher sehr gut verdrängt, aber er hatte natürlich große Sorgen um die beiden, und das Unbewusste lässt sich nicht betrügen. Wie er selbst sagte, konnte er nach diesem Erlebnis deutlich besser mit den Bedenken umgehen und eine an sich unerklärbare Nervosität in der letzten Zeit legte sich wieder.

Den Arzt/Psychotherapeuten verführen

Seit Sigmund Freud die berühmte Szene mit seiner Patientin erlebte (und, wie böse Zungen behaupten, deshalb hinter der Couch verschwand), ist das Problem der „Übertragungsliebe“, über das Freud viele Seiten äußerst kluger Besinnung zur Abstinenz verfasste, aus der gesamten Psychotherapie nicht mehr wegzudenken. Freud meint in etwa, dass man gar nicht die Moral bemühen müsse, den Analytiker davon abzuhalten, die Angebote seiner Patientin anzunehmen. Man kann nur entweder abstinent bleiben und die Therapie weiterführen oder kapitulieren. Auch alle „Zwischenlösungen“ lehnt Freud, offensichtlich zu Recht, ab. Nebenbei wissen wir heute, dass das kein geschlechtsspezifisches Problem ist sondern für alle Menschen gilt, die in einer Patienten-Therapeuten Situation sind.

Die Wahrheit - und nichts als die Wahrheit

In unserem Fall hatte eine Patientin versucht, mit mehr oder weniger allen Mitteln, die einer Frau zur Verfügung stehen, ihren Therapeuten zu verführen, Freud verlangt vom Therapeuten die Wahrheit als Grundlage der Analyse und nichts als die Wahrheit. So kam es auch hier. Das Problem wurde ausführlich (und vorsichtig) besprochen, die Unmöglichkeit einer Therapie und einer sexuellen Beziehung klargestellt und auch die Tatsache deutlich gemacht, dass (wenigstens in diesem Fall) ja von der Seite des Analytikers die Gefühle nicht erwidert wurden.

Dass die Patientin - zu mindestens zum Teil - das Problem verstanden hatte und „bearbeiten“ konnte, zeigte sich nach einigen Wochen in diesen beiden Skulpturen:

Leibhaftige Sexualität

Auch hier haben wir wieder, neben der Gestik der beiden Figuren, die eklatante Farbwahl, diesmal in Plastilin: Das „Lüscher - Rot“ in Schlagworten: die Farbe des Eroberns, der Erotik, „Herausforderung, Begehren, Appetit“ und das „Lüscher - Braun“: das leibliche, das körperliche Wohlbefinden, „gemütliche Behaglichkeit“. Dazu kommt noch, dass die beiden Farben bei gemeinsamem(!) Auftreten, körperbetonte, „leibhaftige“ Sexualität bedeuten.

Angebot und Rückzug

Die erste Figur zeigt deutlich das „Anbieten“, das Darbieten, den Wunsch zu erobern, früher mit anderen schon erlebte Zuwendung wieder zu erleben. Die zweite Figur hat die Patientin selbst später als „Rückzug in sich selbst“, als „Umgehen mit der Zurückweisung“ bezeichnet. Denn als Zurückweisung empfindet sie das therapeutische Verhalten natürlich zuerst einmal auf jeden Fall. Geht die Therapie gut weiter, löst sich die „Übertragungsliebe“ wieder auf und die Patientin kann - die beiden Menschen PatientIn und TherapeutIn - können wieder in eine sachliche, „normale“, spannungsfreie, oder besser spannungsärmere, therapeutische Beziehung zurückkehren.

Kastrationsangst und Impotenz

Es handelt sich um einen etwa 50jährigen Patienten, der, neben schweren Aggressionsproblemen gegen seinen Vater, sehr mit seiner Potenz kämpfte. Vorzeitiger Samenerguss, Verlust der Erektion während des Verkehrs waren mit seinen Worten „die Geisel seiner Ehe“. Im Laufe der Behandlung kam es wieder einmal zum „Gestalten vor und nach dem Autogenen Training“ und er zeichnete diese, sehr verwirrende Skizze. Auch bei Einsatz aller Phantasie gelang es ihm nicht, in dieses spontan und „ohne Absicht“ gezeichnete erste Bild einen „Sinn“ zu bringen. Auch SeminarteilnehmerInnen und später VortragszuhörerInnen, die das Bild zum ersten Mal sehen, erraten nicht, worum es sich da handeln könnte.

Abgetrennter Penis

Nach dem Training wurde es klar und deutlich: was er hier zuerst gezeichnet hatte, war auch schon ein Kastrationsbild, nur eben sehr verschlüsselt. Freilich ist im zweiten Bild der Penis an der Eichel abgefallen, während er im ersten eher an der Wurzel abgetrennt wurde. Wenn man weiß, worum es geht, ist oben die Wunde nach dem Abschneiden des Penis und sind unten die Hoden deutlich zu sehen. Warum unser Unbewusstes bei diesem freien Zeichnen (Dr. Marianne Martin: „Schau, was Deine Hände machen“) solche „Spiele“ mit uns treibt, ist noch keinesfalls klar. Hier also die „Eichelkastration“:

Bösartige Drohungen

Der alkoholkranke Vater hatte nicht nur ihn sondern auch die Mutter immer wieder geprügelt, der Patient erinnerte sich jetzt daran, dass der Vater, wenn er halbwegs nüchtern war, ihm auch immer wieder drohte: „Wenn Du „ihn“ bei einer Frau hineinsteckst, bekommst Du sofort Syphilis und es fällt Dir die Eichel ab. Also mach das nie!“ Dem Heranwachsenden, der natürlich dem Vater, so schwierig er auch sonst war, glaubte und von den Gefahren der Syphilis in der Schule und auch anderswo immer wieder gehört hatte, war das in Fleisch und Blut übergegangen: Verkehr = Eichelverlust, Verstümmelung und natürlich auch Impotenz. Erinnern wir uns daran, dass auch heute noch viele Menschen glauben, dass Selbstbefriedigung krank macht, dass sie später dazu führt, dass man keine Kinder bekommen kann, dass man dumm wird und vieles andere mehr.

Natürlich kann Therapie nicht immer helfen, aber in diesem Fall kam es zu einem für das Ehepaar sehr befriedigenden Sexualleben und andere, vor allem psychosomatische Beschwerden verschwanden allmählich.

Schlussbemerkung

Die drei Beispiele, von unzähligen aus den letzten 40 Jahren, zeigen, wie man - in diesem Fall mit dem Gestalten vor und nach dem Autogenen Training - doch oft relativ einfach zu unbewusstem Material und zur Möglichkeit kommen kann, mit dem Bewusstmachen und nachfolgendem Bearbeiten vielfach zu helfen.

Es existieren viele tausende solcher Bilder von Therapien in Österreich, Deutschland, Italien und der Schweiz und etlichen anderen Ländern. Welches Verfahren man dazu anwendet, welche Meditationsform und so weiter, hängt natürlich auch sehr davon ab, was gerade „Mode“ ist - seriöser gesprochen vom „Zeitgeist“.

Psychotherapeutische Maßnahmen als solche, wenn sie einen wissenschaftlich fundierten Hintergrund haben, wirken offensichtlich generell gut, egal wie die Schule, der sie gerade folgen, sich nennt. Das zeigt die neuere Entwicklung der Psychotherapie, die sich völlig von der Psychiatrie und der Medizin getrennt hat, heute ganz deutlich. Es dürfte die Beschäftigung mit dem Menschen als solche, das angenommen Werden, die Tatsache, dass sich hier jemand, der eine entsprechende Ausbildung hat, mit mir befasst, ganz grundsätzlich eine „heilende“ Wirkung haben.