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Vorzeitiger Samenerguss: Tipps zum sexuellen Wiedereinstieg

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Nach längerem Bestehen des Problems und nachdem eine passende Therapie des vorzeitigen Samenergusses gefunden wurde, steht das Paar vor der Aufgabe, die gemeinsame Sexualität wieder neu zu entdecken. Hier finden Sie Tipps, wie Sie den Partner/ die Partnerin besser verstehen, Druck vermeiden und Sexualität wieder neu genießen können.
(Im Folgenden wird sprachlich aus Gründen der besseren Lesbarkeit auf die Mann-Frau-Beziehung eingegangen. Viele der Tipps lassen sich jedoch natürlich auch in homosexuellen Beziehungen anwenden oder umwandeln!)

Ausgangssituation

Für den Mann

Ein Großteil der Betroffenen fühlt sich durch das Problem beschämt und erlebt Sexualität unter Anspannung. Da sie keine Kontrolle über ihre Ejakulation haben, starten die Männer meist frustrierende Eigentherapieversuche zur Verlängerung der Zeit bis zum Samenerguss (Verzicht auf ein Vorspiel, erhöhter Alkoholkonsum, ablenkende Gedanken).

So verkümmert das „normale“ Verhaltensrepertoire in der Sexualität auf das verkrampfte Bemühen, länger in der Frau zu sein. Der Mann beobachtet die Reaktionen der Partnerin beim Geschlechtsverkehr meist genau und ist sehr leicht verunsichert. Die Mehrheit der Betroffenen glaubt, dass eine Verlängerung der Zeit bis zum Samenerguss die Lösung wäre. Dabei wird gerne vergessen, dass nur vier Prozent der Frauen durch rein vaginale Stimulation zum Orgasmus kommt, der Durchschnitt der Männer aber schon nach drei bis sechs Minuten.

Für die Frau

Für die Mehrheit der Frauen beginnt das Thema vorzeitiger Samenerguss zum Stress zu werden, weil sie die Anspannung und Verunsicherung des Partners spüren. Viele leiden enorm darunter, dass sich der Mann oft nach dem Orgasmus beschämt abwendet oder getröstet werden will. Den Partnerinnen fehlt die Leichtigkeit und das „Einander-Nah-Bleiben“ wenn es vorbei ist. Sie wollen nicht, dass Sexualität nur noch auf den Geschlechtsverkehr reduziert wird. Viele Frauen stellen fest, dass ihr Körper immer lustloser wird und sich immer schwerer dabei tut erregt, zu werden.

Für das Paar

Sexualität beginnt für beide zum Stress-, und Frustrationsfaktor zu werden. Viele beginnen Intimität zu meiden, um die Beziehung nicht zu gefährden, was doch in einigen Fällen auch geschieht, wenn keine Hilfe von außen geholt wird.

Wiedereinstieg in eine erfüllende Sexualität

Jeder Neuanfang baut auf eine Vorgeschichte. Diese Vorgeschichten machen es einem nicht immer leicht, sich und einander neu kennen zu lernen. Geben Sie sich liebevoll genug Zeit, um mit einer geänderten Ausgangssituation neu umgehen zu können.

Für das Paar

Erzählen Sie einander, was Ihnen wichtig wäre, damit Sie Sexualität wieder genießen können. Hören Sie genau zu. Oft empfindet Ihre Partnerin/Ihr Partner etwas ganz anderes als befriedigend, als Sie annehmen.

Beispiel Frau

  • Ich will nicht krampfhaft etwas empfinden müssen.
  • Ich möchte mir genug Zeit nehmen, um richtig erregt zu werden.
  • Ich will nicht zum Orgasmus kommen müssen, das stresst mich.
  • Wenn Du vor mir kommst, bleib mir nahe und wenn mir danach ist, hilf mir, anders zum Orgasmus zu kommen (verraten Sie verschiedene Möglichkeiten).
  • Bleib mir während des Geschlechtsverkehrs nahe (küssen, streicheln).
  • Gib mir klare Zeichen, was Du Dir wünschst.
  • Wenn es nicht gleich klappt, sei nicht mutlos.

Beispiel Mann

  • Ich muss wissen, dass Du gerne wieder mit mir neu beginnen willst.
  • Was liebst Du besonders?
  • Zeig mir, wenn Dir etwas besonders gut gefällt.
  • Sag mir, wie ich Dich leichter erregen kann.
  • Willst lieber vor dem Geschlechtsverkehr einen Orgasmus?

Neuanfang für den Mann

Sie haben ein gutes Medikament zur Unterstützung bekommen, das Ihnen ermöglicht, Erregung endlich genießen zu können. Vielleicht erleben Sie das zum ersten Mal in Ihrem Leben. Wundern Sie sich aber nicht, wenn Sie nicht gleich all Ihre alten Ängste über Bord werfen können. Jetzt können Sie sich darauf konzentrieren, eine befriedigende und sinnliche Sexualität zu entwickeln.

  • Genießen Sie es wieder, Ihre Partnerin zu berühren und von ihr berührt zu werden.
  • Bleiben Sie mit all Ihren Sinnen bei der Sache und spielen Sie mit der Erregung Ihrer Partnerin und Ihrer eigenen.
  • Genießen Sie gemeinsam das Vorspiel.
  • Geben Sie einander genügend Zeit, um die passende Erregung aufzubauen.
  • Wenn Sie in Ihre Partnerin eindringen, lassen Sie Ihren Penis endlich einmal genussvoll und ruhig einige Momente „nichts tun“, nur wahrnehmen, wie sich das anfühlt.
  • Nehmen Sie auch mit dem restlichen Körper Ihrer Partnerin Kontakt auf.
  • Küssen Sie Ihre Partnerin und berühren Sie ihren Körper.
  • Erwarten Sie auf keinen Fall, dass Sie „gemeinsam kommen“, das stresst beide nur und gelingt fast keinem Paar (außerdem bekommen die wenigsten Frauen bei jedem Geschlechtsverkehr einen Orgasmus).
  • Sollten Sie, wie die meisten Männer, vor Ihrer Frau zum Orgasmus kommen, dann bleiben Sie einfach Ihrer Partnerin nahe und verhelfen Sie ihr anders zum Orgasmus (falls sie das möchte).
  • Genießen Sie gemeinsam die wohlige Schwere nach dem Orgasmus in Ihrem Körper.

Neuanfang für die Frau

Ihr Partner hat durch das Medikament eine gute Unterstützung bekommen, sodass er sich jetzt entspannt Ihnen widmen kann. Vielleicht erlebt er zum ersten Mal in seinem Leben Erregung nicht als Vorbote des drohenden Endes. Das wird für ihn sehr neu sein, aber auch für Sie.

  • Genießen Sie jetzt wieder die Berührungen Ihres Partners und auch seine körperliche Nähe.
  • Erwarten Sie nichts Bestimmtes.
  • Lassen Sie sich ausreichend Zeit, damit sich eine entsprechende Erregung aufbauen kann.
  • In der ersten Einstiegsphase kann es gut sein, dass Ihr Körper noch zurückhaltend reagiert. Lassen Sie ihm Zeit. Besprechen Sie das aber mit Ihrem Partner.
  • Erlauben Sie sich so lange Zeit für das Vorspiel zu nehmen, bis Sie das Gefühl haben „Sie halten es nicht länger aus“ und „Sie wollen Ihren Mann in sich fühlen“.
  • Wenn Ihr Partner in Sie eindringt, versuchen Sie nicht krampfhaft, auf einen Orgasmus hinzusteuern. Genießen Sie es einfach, ihn in sich zu fühlen.
  • Falls er, wie die meisten Männer, vor Ihnen zum Orgasmus kommt, fühlen Sie nach, was Sie real in dieser Situation gerne hätten und zeigen/sagen Sie es.
    (Bsp.: Wenn genügend Erregung da ist, von ihm weiter stimuliert werden oder nur gehalten werden oder/und Sie stimulieren sich selbst gezielt zum Orgasmus).
  • Wenn es passt, gemeinsam die Zeit danach genießen.

Wichtig!

Sollte der Wiedereinstieg schwieriger als erwartet sein, dann zögern Sie nicht, so rasch wie möglich Hilfe von außen zu holen.

  1. Es kann daran liegen, dass das Medikament noch nicht die volle Wirkung entfaltet hat und Sie mit Ihrer Ärztin/ Ihrem Arzt eine Dosisanpassung vornehmen müssen.
  2. Gelegentlich kann es vorkommen, dass das alte Muster erst mit Hilfe eines fachlichen Gesprächs durchbrochen werden kann.

Hier finden Sie ein Video mit dem deutschen Sexualforscher Prof. Dr. Uwe Hartmann zum Thema “Sexualität und seine Bedeutung für das Wohlbefinden”.

Autor

Dr. Elia Bragagna (April 2011)