Was ist „guter Sex“?
Diese Frage beschäftigt viele Menschen – und viele Menschen leben gut davon, diese Frage immer wieder aufs Neue zu beantworten.

Fragen über Fragen
Es sind unzählige Bücher auf dem Markt, die sich mit diesem Thema befassen, von der Anzahl an Internetseiten gar nicht zu reden.
Wie aber ist „guter Sex“ wirklich zu fassen? Welche Fragen sollte man sich stellen, wenn es um „guten Sex“ geht? Und kann es wirklich eine allgemeingültige Definition von „gutem Sex“ geben? Oder ist dies vielmehr etwas, was jedes Paar für sich gemeinsam erleben und erarbeiten kann und muss?

Von wegen „offen“ diskutiert
Noch nie war Sexualität ein solch (scheinbar) offen diskutiertes Thema. Zeitungen und Zeitschriften, Fernseh- und Radiobeiträge und natürlich das schon erwähnte Internet bringen täglich neue Bilder, Spielarten, Diskussionsbeiträge und Forschungsergebnisse zum Thema Sexualität. Die Pornoindustrie überschwemmt den Markt mit Filmen, in denen „guter Sex“ scheinbar nicht nur mit perfekten Körpern vergesellschaftet ist. Zudem werden noch sämtliche denkbaren und (beinahe) undenkbaren Spielarten der körperlichen Liebe verbildlicht. Der „Sex Overflow“ stellt nicht wenige Menschen, auch sehr junge Menschen, die ihre Sexualität gerade erst entdecken, vor nicht unerhebliche Probleme.

Sexfalle Pornographie
Der unglaublich leichte Zugang zu Pornographie und das Überangebot in den Medien formen Bilder in den Menschen, die mit der gelebten Realität kaum bis gar nichts zu tun haben. 15jährige Mädchen erzählen in der Mädchensprechstunde, sie hätten Angst vor Analverkehr, wollten „es“ aber tun, weil das doch zu „gutem Sex“ gehöre. Und Burschen wird das Bild vom „Hengst“ vermittelt, der immer und überall und stundenlang kann. Das weckt nicht zu erfüllende Erwartungshaltungen in jungen Menschen und erschwert die ohnehin nicht einfache Entdeckung und das Ausleben der eigenen Sexualität.
Aber es sind durchaus nicht nur Jugendliche von den Bildern und den über die Medien und die Pornoindustrie vermittelten Botschaften betroffen. Auch Erwachsene stellen sich – egal ob sie in Paarbeziehungen leben oder nicht – immer wieder die Frage der Fragen: „Was ist guter Sex?“ „Habe ich guten Sex mit meinem Partner?“ „Wie viel Sex ist genug Sex?“ Und „wie lange dauert guter Sex?“

Unter Druck
Es ist natürlich nicht möglich, die Medien und die darüber vermittelten Botschaften zum Thema Sex gänzlich auszuklammern, das muss auch nicht sein. Dennoch ist es wichtig, diese Botschaften in einen realen Kontext zu stellen, sie für sich selbst zu überprüfen und sich zu fragen: Was will ich? Was ist guter Sex für mich? Denn die vermittelten Bilder zeigen nicht nur meist eine völlig verzerrte Darstellung von Sexualität. Sie setzen unter Druck und können letztlich dazu führen, dass jede und jeder verunsichert wird und selbst nicht mehr weiß, was für sie und ihn nun guter Sex ist.
Es kann keine verallgemeinernde und für jeden Menschen passende Antwort auf die Frage „was ist guter Sex?“ geben. Allerdings existiert eine Reihe von Voraussetzungen, die – wenn diese gegeben sind – die eigene Sexualität zu einem immer wieder schönen und lustvollen Ereignis machen können. Nachfolgend finden Sie einige dieser Voraussetzungen:

Die richtigen Voraussetzungen
Die Frage, ob Liebe eine der Grundvoraussetzungen für gute gelebte Sexualität ist, lässt sich mit einem Satz beantworten, eigentlich sogar mit einem Wort. Das Wort lautet Nein. Man muss sich nicht lieben, um guten Sex zu haben, egal mit oder ohne PartnerIn. Es ist aber von Vorteil, birgt allerdings auch wieder einige Fallen, in die gerade glückliche Liebespaare immer wieder gerne tappen.
Liebe ist also keine unbedingte Voraussetzung für guten Sex. Wer auf One-Night-Stands steht und dieses Bedürfnis verwirklicht und damit zufrieden ist, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit von sich behaupten, regelmäßig guten Sex zu haben.

Liebe dich selbst
Wohl eine Voraussetzung für guten Sex ist allerdings die Liebe zu sich selbst. Das mag jetzt pathetisch klingen, ist deshalb aber nichts desto trotz, wahr: Nur wer sich selber mag, ein gutes Gefühl für den eigenen Körper hat, weiß was sie oder er mag – und was eben nicht, wird guten Sex erleben können. Wer dagegen ständig an die Speckfalte am Bauch, die Orangenhaut an den Oberschenkeln und den scheinbar zu kleinen Busen oder Penis denkt, wird sich wohl kaum genug entspannen können, um ein lustvolles sexuelles Erlebnis feiern zu können. Das gilt für die Liebe mit der/dem PartnerIn ebenso, wie für die Selbstbefriedigung. Greifen Sie sich gerne an?

Angespannt wird’s angespannt
Entspannung ist eine ganz wesentliche Voraussetzung für guten Sex. Lust fühlen, sich lustvoll lieben, das geht zwischen Tür und Angel eher nicht, wobei natürlich nichts gegen einen Quickie spricht, ab und an. Entspannt und mit leerem Kopf genießt es sich aber besser. Deshalb macht es schon Sinn, alle wichtigen Erledigungen, aktuellen Probleme und andere täglichen Notwendigkeiten vor der Tür zu lassen.

Schaffen Sie Rituale
Rituale können hier eine große Hilfe sein. Wer viel um die Ohren hat, wird sich wahrscheinlich schwer damit tun, soweit abschalten zu können, dass sie oder er entspannenden Sex haben kann. Paare, die sich bewusst Zeit füreinander nehmen – etwa für einen Abend in der Woche, haben größere Chancen, sich auf sich und ihre Sexualität einlassen zu können, als Menschen, die Sex auf ihrer Agenda irgendwo zwischen „Kinder vom Kindergarten abholen“ und „Konzept für den neuen Kunden schreiben“ geschoben haben.

Vertrauen ist wichtig
Vertrauen ist ebenfalls ein wichtiges Thema in der Sexualität. Das ist natürlich bei One-Night-Stands möglicherweise ein bisschen schwierig, trotzdem kann auch in diesem Bereich zumindest ein Grundvertrauen da sein und sollte es auch, damit niemand – und zwar weder körperlich noch seelisch –verletzt wird und aus dem One-Night-Stand keine Katastrophe wird. Innerhalb einer Beziehung spielt Vertrauen beim Sex eine wesentliche Rolle. Nur, wer seiner Partnerin/seinem Partner Vertrauen entgegen bringt, wird sich beim Sex so entspannen können, dass aus „Sex“ eben „guter Sex“ wird. Dazu gehören auch Gespräche mit der Partnerin/dem Partner. Was mögen Sie? Was gefällt Ihnen gar nicht? Gespräche über Sex sind meist schwierig, aber geradezu ein Schlüssel für eine erfüllte Sexualität. Es ist nämlich nicht davon auszugehen, dass Paare quasi „automatisch“ zusammenpassen. Vielmehr muss man sich annähern, ausprobieren, auch mal Nein sagen – so können sich Paare Schritt für Schritt an ihren ganz persönlichen „guten Sex“ herantasten.
Wenn es mit dem Reden noch nicht so gut klappt, kann es auch sinnvoll sein, der Partnerin/dem Partner zu zeigen, wo sie/er berührt werden möchte. Das geht manchmal leichter, als diese Themen explizit anzusprechen.

Erlaubt ist, was gefällt!
Guter Sex ist wie ein Tanz, bei dem abwechselnd beide PartnerInnen führen. Wenn man die Anstrengung, das Lernen, das Üben nicht mehr merkt – dann kann es wie fliegen sein. Und es spielt absolut keine Rolle, wie lange der Sex dauert, dass sie so gar keine akrobatischen Verrenkungen in ihr Liebesspiel einbauen wollen und ob ihr Körper jetzt Cindy Crawford oder eher Dirk Bach gleicht. Guter Sex heißt, sich nicht davon abhängig zu machen, was in den Medien vermittelt wird. Das klingt schwierig, aber es geht. Wenn Sie nämlich in sich hinein hören und mit ihrem Partner/ihrer Partnerin im Gespräch bleiben.
Klar ist: Im Bett, oder wo auch immer Sie sich am liebsten der körperlichen Liebe hingeben, ist erstmal alles erlaubt, was beiden gefällt. Nichts zu suchen haben dort allerdings irgendwelche von den Medien vorgegebenen Bilder, Sexualpraktiken, vor denen sie sich ekeln oder Gewalt.

Keine Normen beim Sex
Auch die Häufigkeit, mit der Sie Ihre Sexualität leben, unterliegt keinerlei Normen. Manche wollen täglich, manche können nur, wenn sie genügend Zeit zur Entspannung finden. Manchen reicht Sex einmal im Monat oder sogar einmal im Jahr. Es gibt hier keinerlei Vorgaben, keine Gesetzmäßigkeiten, keine Quote, die erfüllt werden muss. Das kann man übrigens gar nicht laut genug sagen, oder – wie hier – fett genug hinschreiben:
„BEIM SEX GIBT ES WEDER QUOTEN, NOCH VORGABEN, NOCH ZEITANGABEN ODER VORGESCHRIEBENE PRAKTIKEN!“
„Guter Sex“, das bedeutet: Sie erleben – allein oder mit Ihrer Partnerin/Ihrem Partner ein schönes, lustvolles Erlebnis, egal wie oft, egal wie lang, egal wie… Beim Sex gibt es eben keine Vorgaben – zum Glück!
