Harninkontinenz
Harninkontinenz
Harninkontinenz ist weit verbreitet und hat viele Gesichter. Je nachdem ob es sich um eine überaktive Blase, Drang-, Belastungs-, Reflex- oder Überlaufinkontinenz oder um eine Extraurethrale Inkontinenz handelt, ist unterschiedlich gegen das Leiden vorzugehen.
Definition
Bei unfreiwilligem, unkontrolliertem Harnverlust spricht man von Harninkontinenz, im Volksmund wird sie auch oft als „Blasenschwäche“ bezeichnet.
Häufigkeit
Harninkontinenz ist ein sehr weit verbreitetes Leiden. Schätzungen zufolge ist jede 4. Frau und jeder 10. Mann im Laufe seines Lebens von diesem Problem betroffen.
Belastungs- und Dranginkontinenz sowie Mischformen aus diesen beiden Typen zählen mit Abstand zu den häufigsten Formen der Inkontinenz. Aufgrund der unterschiedlichen Ursachen ist es bei Mischformen wichtig, jede Form einzeln einer gezielten Therapie zuzuführen.
Ursachen
Unfreiwilliger Harnabgang kann verschiedene Ursachen haben, viele davon lassen sich beheben. Entzündungen, hormonelle Veränderungen bzw. Hormonmangel oder vergrößerte Prostata, aber auch Medikamente können die Ursache dafür sein bzw. die Beschwerden verstärken. Ebenso kann es nach einer Schwangerschaft durch eine Schwächung der Beckenbodenmuskulatur zu unfreiwilligem Harnverlust kommen.
Die oft gehörte Annahme, dass die „Blasenschwäche im Alter“ unabwendbar sei, und dass man nichts dagegen tun kann, ist falsch. Der Arztbesuch ist ein erster wichtiger Schritt, um die Ursachen der Inkontinenz erkennen und wirksame therapeutische Maßnahmen setzen zu können.
Überaktive Blase
Definition
Die Betroffenen leiden an plötzlichem und nicht unterdrückbarem Harndrang und/oder verlieren Harn, bevor sie eine Toilette erreichen können. Die Betroffenen müssen sehr oft auf die Toilette gehen (über achtmal pro Tag und häufig auch nachts).
Von der überaktiven Blase sind Männer und Frauen gleichermaßen betroffen. Wichtig ist der möglichst frühzeitige Arztbesuch, um eine erfolgreiche Behandlung zu beginnen.
Symptome
• zwanghafter Harndrang • häufiges Wasserlassen • Dranginkontinenz (ungewollter Harnverlust)
Lösungsansätze
Mit „Blasentraining“, modernen Medikamenten, die vom Arzt verordnet werden, und mitunter auch durch Elektrotherapie ist die überaktive Blase meist sehr gut in den Griff zu bekommen.
Mit neuen, gut verträglichen Medikamenten sind auch die bisher häufigsten Nebenwirkungen wie Mundtrockenheit seltener zu erwarten. Gerade ältere Patienten leiden schon von Haus aus vermehrt an Mundtrockenheit, zusätzlich kommt mangelnde Flüssigkeitsaufnahme noch verschlimmernd dazu. Nicht mehr tolerierbare Mundtrockenheit mit Schwierigkeiten beim Essen, Schlucken und Sprechen war oft die Folge. Vielfach haben diese Nebenwirkungen dazu geführt, dass die Therapie abgebrochen wurde. Bei neuen, für die überaktive Blase und die Dranginkontinenz entwickelten Medikamenten, die der Arzt verschreibt, sind diese Nebenwirkungen kaum oder nicht mehr zu erwarten.
Dranginkontinenz
Definition
Dranginkontinenz ist der unfreiwillige Harnabgang verbunden mit starkem Harndrang trotz funktionierendem Harnröhrenverschluss.
Ursache
Die Ursachen dafür sind vor allem beim älteren Menschen vielfältig: Krankhafte Zustände im Bereich von Blase, Harnröhre und kleinem Becken, vor allem chronische Entzündungen, erschwerte Blasenentleerung, z.B. durch eine vergrößerte Prostata, aber auch altersbedingte und krankhafte Veränderungen im Nervensystem verschlechtern die Kontrolle über die Harnblase und führen zur Dranginkontinenz.
Lösungsansätze
“Blasentraining”, insbesondere Miktions- und Toiletten-, aber auch Beckenbodentraining, Medikamente. Bei Frauen auch Hormone und Elektrotherapie. Nur selten ist eine Operation notwendig.
Rezeptpflichtige Medikamente bei überaktiver Blase und Dranginkontinenz
Medikamente werden - in Kombination mit “Blasentraining” - häufig erfolgreich zur Verbesserung der Blasenkontrolle bei Harndrang-Reflex und gemischter Drang- bzw. Belastungsinkontinenz eingesetzt.
Sie können die Blasenkapazität erhöhen und verzögern die Zeit bis zum Auftreten des Harndranges. Die Betroffenen müssen weniger häufig die Toilette aufsuchen und sind über längere Zeiträume hinweg frei von ständigem Harndrang. Die Kontrolle über die Blasenentleerung wird insgesamt verbessert.
Erfolg
Eine im Frühjahr 1997 abgeschlossene Untersuchung zeigte, dass 89 Prozent der Frauen und 79 Prozent der Männer auf eine Behandlung mit Medikamenten ansprachen. Dies bedeutet häufig ein Abklingen, zumindest aber eine deutliche Besserung der Inkontinenz. Miktions- und Toilettentraining unterstützen diese Therapie.
Wirkungsweise
Die Medikamente unterdrücken gezielt die Wirkung des körpereigenen Botenstoffes Acetylcholin auf die Nervenenden, welche die Entleerung der Blase auslösen. Allerdings können derartige Medikamente eine bereits vorbestehende Störung der Blasenentleerung verstärken und zu erhöhtem Restharn führen. Ihr Arzt wird gegebenenfalls die notwendigen Kontrollen durchführen. Manche dieser Medikamente braucht man nur einmal täglich einzunehmen. Sie wirken dann 24 Stunden lang.
Nebenwirkungen
Manchmal können Mundtrockenheit, Schwitzen, Hautrötung, Verstopfung, Herzklopfen und Schwindel auftreten. Bei manchen dieser Medikamente wurden - insbesondere bei älteren PatientInnen - auch Gedächtnisstörungen beobachtet. Die oben geschilderten Nebenwirkungen verschwinden nach Beendigung der Einnahme von Anticholinergika. Bitte sprechen Sie beim Auftreten von Nebenwirkungen mit Ihrem Arzt/Ihrer Ärztin, damit sichergestellt werden kann, dass keine anderen Ursachen vorliegen oder damit Ihnen ein anderes, besser verträgliches Medikament verschrieben wird.
Die Therapie mit Medikamenten sollte, wenn möglich, mit einem Miktions- oder Toilettentraining kombiniert werden (z.B. in kurzen Zeitabständen regelmäßig auch ohne Drang auf die Toilette gehen, die Intervalle langsam verlängern).
Alternativen bei überaktiver Blase und Dranginkontinenz
Für die Belastungsinkontinenz, aber auch bei der Behandlung der Dranginkontinenz stellt gezieltes Beckenbodentraining, gegebenenfalls kombiniert mit Elektrotherapie und Biofeedback, unter Anleitung und Kontrolle einer Physiotherapeutin, eine sehr gute Behandlungsmethode dar. Bei etwa 70 Prozent der Betroffenen kann es, insbesondere bei leichten und mittelschweren Formen der Belastungsinkontinenz, zum Abklingen des unfreiwilligen Harnabgangs oder aber zumindest zu einer wesentlichen Besserung führen.
Belastungsinkontinenz
Definition
Harnverlust bei defektem Harnröhrenverschluss. Früher auch als “Stressinkontinenz” bezeichnet.
Symptome
Charakteristischerweise kommt es beim Husten, Niesen, Heben schwerer Lasten oder beim Treppensteigen zum unfreiwilligen Harnabgang. Ursache ist vor allem bei Frauen eine geschwächte Beckenbodenmuskulatur, z.B. nach Schwangerschaft und Geburt, aber auch aufgrund hormoneller und altersbedingter Veränderungen, beim Mann vor allem nach einer Schwächung des Schließmuskels im Rahmen von Operationen wegen Prostatakrebs. Die Harnblase funktioniert normal.
Lösungsansätze
Beckenbodentraining, parallel dazu Gewichtsreduktion, Stuhlgangregulierung, zusätzlich können Medikamente und Hormone helfen. Je nach Schwere und Ausmaß kann auch eine Operation notwendig sein.
Reflexinkontinenz
Ursache
Reflexinkontinenz entsteht, wenn Nervenbahnen und Nervenzentren, die für die willkürliche Blasensteuerung verantwortlich sind, geschädigt werden bzw. ausfallen, wie bei manchen Formen der Querschnittlähmung.
Symptome
Bei dieser Form der Inkontinenz entleert sich die Harnblase beim Erreichen einer bestimmten Füllmenge reflektorisch. Häufig ist die Blasenentleerung auch unvollständig (Restharn).
Lösungsansätze
Medikamente, regelmäßige Blasenentleerung, z.B. auch mittels Katheterisierung, Operation.
Überlaufinkontinenz
Definition
Überlaufinkontinenz entsteht, wenn der Druck in einer übervollen Blase höher wird als der Verschlussdruck des Schließmuskels.
Ursache
Ursachen für eine Überlaufinkontinenz sind ein schwacher Blasenmuskel oder ein Hindernis, das die Entleerung des Harnes erschwert. Mitunter finden sich beide Ursachen gemeinsam.
Lösungsansätze
Zunächst Entlastung der übervollen Blase durch Einführen eines Katheters, in der Folge dann Therapie der zugrundeliegenden Ursache, entweder Kräftigung der Blase oder/und Beseitigung des Abflusshindernisses.
Extraurethrale Inkontinenz
Ursache
Extraurethrale Inkontinenz entsteht bei Harnabgang durch andere Kanäle als die Harnröhre, entweder über Fistelbildung oder über eine angeborene Anomalie der Harnleitermündung.
Lösungsansätze
Operation
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