Die Sensate-Focus-Übungen sind fünf aufeinander aufbauende Übungen, die therapeutisch angeleitet werden und dem Paar strukturiert neue sinnlich-sexuelle Erfahrungen ermöglichen. Sie wurden bereits 1970 von Masters und Johnson entwickelt. In der modernen Sexualtherapie werden die Übungen mittlerweile nicht mehr nur als ein Standardpaket, sondern eher als auf die jeweilige Symptomatik abgestimmte Bausteine eingesetzt.
Ziele
Die Übungen werden sowohl zur Diagnostik der zugrunde liegenden Paardynamik als auch zur Veränderung des destruktiv sexuellen Paarsystems genutzt. Weitere Ziele der Übungen sind Reduktion der Ängste vor körperlicher Intimität, Bewältigung von Versagensängsten, Korrektur von irrationalen Sexualmythen und negativen Erwartungen, Aufbau von Vertrauen und Verbesserung des eigenen Körperbildes.
Durchführung
Die Übungen sollen zweimal pro Woche für eine Stunde unter günstigen Bedingungen durchgeführt werden.
Inhalt
Inhalt der Übungen sind von beiden Partnern abwechselnd ausgeführte Zärtlichkeiten, die in der ersten Übung die erogenen Zonen aussparen, in der zweiten Übung diese mit einbeziehen und in der dritten Übung auch stimulierend sein dürfen. Die vierte und fünfte Übung beinhaltet koitale Aktivitäten, wobei bei der vierten Übung der Penis nur eingeführt wird.
Die Paare werden über zwei Grundregeln (Egoismus- und Vetoregel) dazu angeleitet, die Übungen selbstverantwortlich zu gestalten. Nach jeder Übung werden die Erfahrungen in der Therapiestunde besprochen und entschieden, ob das Paar zur nächsten Übung weitergehen kann.
Wirkung
Effektivitätsnachweise hinsichtlich der Angstdesensibilisierungsübungen gibt es aktuell nur, soweit diese in Kombination mit Psychoedukation, Kommunikationstrainings, Bibliotherapie, Kegelübungen und Trainings in Sexualtechniken durchgeführt wurden.
Die Ergebnisse von wenigen Kontrollstudien besagen, dass es zu einer Abnahme von Angst und zu einer Zunahme der Häufigkeit des Intimverkehrs und der sexuellen Zufriedenheit kommt. Eine wesentliche Verbesserung der Orgasmusfähigkeit tritt jedoch nicht ein. Dies könnte darauf hinweisen, dass Angstdesensibilisierungen nur dann sinnvoll sind, wenn eine Frau mit primärer Orgasmusstörung auch über sexuelle Ängste berichtet (C.M. Meston et al., 2004).
Übungen
Schritt 1
Der Körper wird - mit Ausnahme der Genitalregionen - liebkost, die aktive und passive Rolle wird dabei geändert.
Fragen
Was fühlt sich gut, was schlecht oder irritierend an? Wie kann man darüber sprechen? Wichtig ist, die negativen Gefühle zu besprechen, da sie dem Verständnis helfen.
Schritt 2
Der Körper wird liebkost - einschließlich der Genitalregionen, die aktive und passive Rolle wird dabei wieder geändert.
Fragen
Das Ziel der Stimulation wird erforscht, über die Gefühle dabei geredet mit dem Ziel, sich sicher zu fühlen.
Schritt 3
Manuelle Stimulation mit Rollentausch, Erregung wird dabei aufgebaut.
Fragen
Neue Erfahrungen sind möglich, ein Gefühl der Nähe. Die emotionale Bedeutung der Penetration wird reflektiert, die Frau übernimmt die Kontrolle.
Schritt 4
Der Mann legt sich zurück, die Frau setzt sich auf ihn und führt den Penis in die Vagina ein.
Fragen
Wie fühlt es sich an, mit der Stimulation zu spielen, sie aufzubauen und wieder abklingen zu lassen? Wie kann jeder Partner der Erregung eine Richtung geben? Die Freude am Spielen ist hier zentral.
Schritt 5
Mit Bewegung und Positionen experimentieren.
Fragen
Bewegung und Ausdruck des Körpers als sexuelle Stimulation können erfahren und ausgetauscht werden.