Beherrscht von Hormonen

4 minuten Lesezeit . Written by Univ.-Prof. Dr. Markus Metka

Bereits im Mutterleib spielen Sexualhormone eine wesentliche Rolle für die Entwicklung des ungeborenen Kindes. Und das bleibt so - die Botenstoffe spielen von der Zeugung bis zum Tod eine wesentliche Rolle - bei Frauen und Männern. Die wichtigsten Sexualhormone sind Östrogen und Testosteron. Bei Frauen überwiegt das Östrogen, bei Männern das Testosteron. Allerdings weisen sowohl Männer als auch Frauen Anteile am jeweils „männlichen“ und am „weiblichen“ Sexualhormon auf. Das heißt: Auch Männer produzieren Östrogen und Frauen eben Testosteron.

Einfluss auf Gehirnentwicklung


Wer wie viel von welchem Hormon produziert bestimmen die Chromosomen - bereits bei der Befruchtung ist also klar, ob das zukünftige Kind mehr Östrogen oder mehr Testosteron produziert: Liegen zwei X-Chromosomen vor, beginnt schon in der Embryonalentwicklung die Produktion von Östrogen, bei einem X- und einem Y-Chromosom wird sofort die Testosteronproduktion angeregt. Das bedeutet nicht nur: Es wird ein Junge! oder Es wird ein Mädchen!

Die Sexualhormone, die bereits im Mutterleib vom Embryo, später vom Fötus produziert werden, haben auch Einfluss auf die Gehirnentwicklung. In der Wissenschaft wird das als „Priming“ bezeichnet. Und das erklärt, wenigstens zum Teil, die Hinwendung von Jungen zu eher „männlichen“ Spielsachen und die Faszination von Mädchen für Puppen und hübsche Kleider. Das ist natürlich sehr vereinfacht ausgedrückt - denn schließlich spielt auch die Erziehung eine wesentliche Rolle. Dennoch: Sexualhormone prägen den Menschen mehr, als lange Zeit geglaubt wurde.

Lust- und Bruthormon

Jeder Mensch produziert sowohl Östrogen als auch Testosteron. Dabei ist ganz wesentlich: Im weiblichen Organismus findet sich nicht nur Östrogen - etwa ein Zehntel bis ein Zwanzigstel der Sexualhormonproduktion der Frau betrifft das Testosteron. Und Männer weisen sogar wesentlich mehr Östrogene auf, als Frauen Testosteron: Etwa ein Viertel der Sexualhormonproduktion des Mannes fällt auf das „weibliche“ Sexualhormon Östrogen.

  • Testosteron bei Männern wird in den Hoden gebildet. Frauen bilden es in den Eierstöcken und der Nebennierenrinde.

  • Östrogen wird bei Frauen in den Eierstöcken gebildet, bei den Männern, wie das Testosteron, im Hoden.

Testosteron

Testosteron ist das „Machohormon“. Es ist für die Aggressivität ebenso verantwortlich wie für die Fettverbrennung und die Libido - also die sexuelle Lust - und das gilt für Männer und Frauen. Testosteron gilt übrigens auch als das Hormon der Kreativität und des räumlichen Vorstellungsvermögens. Eine zu geringe Testosteronproduktion führt demzufolge etwa auch zu einem Verlust der Lust.

Übergewicht kann mit Fug und Recht als Lustkiller bezeichnet werden: Denn je übergewichtiger beispielsweise ein Mann ist, desto weniger Testosteron hat er zur Verfügung. Dies gilt vor allem für das bauchbetonte Übergewicht: Dieses Fettgewebe ist hochaktiv - es verwandelt Testosteron in das weibliche Hormon Östrogen.

Wenn Menschen älter werden, verringert sich die Testosteronproduktion häufig schon deshalb, weil vielfach Gewicht zugenommen wird. Eine Verringerung vorhandenen Übergewichts von rund zehn Kilogramm erhöht die Testosteronproduktion beträchtlich. Deshalb gilt gerade für Menschen ab etwa 40 Jahren: Gesunde Ernährung und regelmäßige Bewegung - dann klappt`s auch mit dem Sex!

Östrogen

Östrogen, das weibliche Sexualhormon, wird auch als „Bruthormon“ bezeichnet. Die Sexualhormone kann man sich als eine Art „Yin und Yang“ vorstellen - Menschen produzieren diese wichtigen Hormone eigentlich nur aus einem einzigen Grund: Und dieser Grund ist die Fortpflanzung! Deswegen steigert Testosteron die Lust an der sexuellen Begegnung und Östrogen sorgt für ein „kuscheliges“ Umfeld für ein Kind.

Östrogen fördert die Reifung einer Eizelle, löst indirekt den Eisprung aus und sorgt für eine gute Durchblutung der Gebärmutterschleimhaut. Während einer Schwangerschaft „explodiert“ die Östrogenproduktion. Dies befördert die Reifung des ungeborenen Kindes und sorgt bei der Mutter für Ausgeglichenheit und Gelassenheit während der Schwangerschaft.

Weiblicher Zyklus

Östrogene steuern auch den weiblichen Zyklus: In der ersten Zyklushälfte wird vor allem Östrogen produziert. Der Östrogenspiegel steigt bis zur Zyklusmitte immer weiter an und erreicht zum Eisprung einen Peak, einen Gipfel. Auch die Testosteronproduktion nimmt während der ersten Zyklushälfte zu und erreicht mit Eisprung ebenfalls einen Gipfelpunkt. Das ist der Grund, warum viele Frauen rund um den Eisprung besonders viel Lust auf Sex haben. Denn in dieser Zeit ist die Wahrscheinlichkeit für eine Schwangerschaft am höchsten - und die wichtigste Funktion der Sexualhormone ist eben für den Fortbestand der Menschheit, also für eine ungestörte Fortpflanzung zu sorgen.

Hormonelle Verhütungsmittel

Dies kann auch als Erklärung dafür gesehen werden, warum viele Frauen, wenn sie die Antibabypille oder ein anderes hormonelles Verhütungsmittel anwenden, die Lust am Sex verlieren: Hormonelle Verhütungsmittel regulieren die Östrogen- und auch die Testosteronproduktion stark hinunter. Aktuelle Studien sprechen sogar davon, dass diese Downregulation sich auch dann noch auswirkt, wenn die Pille oder eben ein anderes hormonelles Verhütungsmittel, wieder abgesetzt wird.

Das wirkt sich nicht auf jede Frau in dieser Form aus. Wenn allerdings eine Frau unter dem Einfluss eines hormonellen Verhütungsmittels einen Verlust der Lust bemerkt, sollte sie eine Frauenärztin/einen Frauenarzt aufsuchen, um zu überprüfen, ob die Ursache dafür das verwendete Verhütungsmittel ist.

Weiterführende Artikel

Einen kurzen Überblick über die wichtigsten Sexualhormone im menschlichen Körper finden Sie auch in den Artikeln:
Anatomie der Frau und
Anatomie des Mannes